Porträt Detlev Spangenberg: AfDler unter Stasi-Verdacht
Der rechte Politiker war verhinderter Alterspräsident im sächsischen Landtag. Er soll während seiner Armeezeit „Geheimer Informator“ gewesen sein.
Er führte Besucher durch das ehemalige Dresdner Stasi-Untersuchungsgefängnis. Und er warnte im März 2015 bei der Stasi-Landtagsdebatte als „Betroffener“ davor, dass die ehemaligen Schnüffler noch unter uns seien. Nun ist der mit 71 Jahren älteste Abgeordnete des Sächsischen Landtags selbst unter Stasiverdacht geraten.
Durch eine Quelle entweder in der Berliner Stasi-Unterlagenbehörde oder im Bewertungsausschuss des Landtags erfuhr die Chemnitzer Freie Presse, dass Spangenberg während seiner Armeezeit von 1964 bis 1967 „Geheimer Informator“ gewesen sein soll. Für alle Abgeordneten wird zu Beginn der Legislatur eine entsprechende Routineanfrage gestellt. Die Ende 2015 eingegangenen Akten lagern dann im Panzerschrank des Bewertungsausschusses.
Der Fall Spangenberg ist besonders pikant. Denn der Senior gilt auch in seiner AfD-Fraktion als Rechtsaußen. Hinweise auf seine ultrakonservative Gesinnung hatten im Herbst 2014 verhindert, dass er als Alterspräsident die konstituierende Landtagssitzung eröffnen konnte. Sein Weg in die AfD führte über die vom Unions-Renegaten Henry Nitzsche 2008 gegründete rechte Wählervereinigung „Arbeit-Familie-Vaterland“, die mit dem Slogan „Sachsenmut stoppt Moslemflut“ warb. 2010 gehörte Spangenberg zu den Mitbegründern des „Bündnisses für Freiheit und Demokratie“, das auf seiner Internetseite auch für die Wiederherstellung Deutschlands in den Grenzen von 1937 warb.
Der in Chemnitz und Weimar aufgewachsene Spangenberg unternahm 1969 als 25-Jähriger einen ersten Fluchtversuch aus der DDR. Dessen Scheitern brachte ihm ein reichliches Jahr Haft ein. 1980 gelangte er in den Westen, studierte Betriebswirtschaft und trat der CDU bei, die er 2004 wieder verließ. In Sachsen war er als Geschäftsführer in der Tourismuswirtschaft tätig.
Abgeordnetenanklagen, wie sie Spangenberg nun droht, waren in Sachsen noch nie erfolgreich. Der Verdächtigte verweist auf 50 inzwischen verstrichene Jahre und sieht die Geheimhaltungspflicht des Stasi-Bewertungsausschusses verletzt. Seine AfD-Fraktion, die auch eine Stasi-Erklärung verlangt, zeigte sich überrascht.
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