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Pop-Kultur digitalSchöne neue Festivalwelt

Das Berliner Festival Pop-Kultur fand komplett im digitalen Raum statt. Ging das Konzept auf? Und was wird davon in Zukunft bleiben?

Aus King Khans »Rat-Tribution Now« Foto: Saba Lou Khan

Drei Tage Pop-Kultur sind vorüber. Die eigens für das Berliner Festival geschaffenen Videoarbeiten werden jedoch nachwirken, sind sie doch mindestens für ein Jahr, größtenteils aber länger kostenlos abrufbar.

Auch wenn das Programm auf ein Drittel eingedampft wurde, ging es so divers zu, wie man es von dem Festival gewohnt ist. Was das Atmosphärische betrifft, war es sogar vielschichtiger. Schließlich entstanden die Clips in unterschiedlichen Settings, artifizielle artiness stand neben intimem Wohnzimmermomenten: Letztere gab es etwa, als die Kanadierin Jessy Lanza, sonst in elektronisch glitzernden R&B-Gefilden unterwegs, zu Hause am Keyboard demonstrierte, welche Akkordwechsel ihre persönlichen Lieblingssongs besonders machen.

Gelungen auch die Umsetzung der Live Sessions, bei denen so unterschiedliche Künstler wie Mavi Phoenix mit seiner Fusion aus Lo-Fi-Pop und Trap oder die Düsseldorfer Düsterboys mit windschiefem Wehmutsfolk gar nicht erst versuchten, ein „echtes“ Konzert zu simulieren. Perspektivisch sollen die Arbeiten in Kinos und Kunstforen gezeigt werden. Schon jetzt schafften einige der Clips den Sprung auf die große Leinwand: Am Samstag wurden sie in der Société des arts technologiques in Montreal präsentiert.

Ebenfalls aus Montreal stammt der seit 2005 in Berlin ansässige King Khan. Mit seinem gospel-souligen Garage Rock gibt er für gewöhnlich den vielleicht mitreißendsten Performer der Stadt. Für das Festival steuert er, inspiriert von einem Märchen, das ihm einst sein nordindischer Vater erzählte, eine mythendurchdrungene, abgründige Geschichte bei. Zusammen mit seiner Tochter Saba Lou – sie ist ebenfalls Musikerin, tritt hier aber vor allem als Illustratorin in Erscheinung – und dem Maler und Performancekünstler Joe Coleman realisierte er den soghaft verstörenden 20-Minuten-Film „Rat-Tribution Now“; der erzählt von der am alleruntersten Ende der Kastenhierarchie stehenden Community der Musahar („Rattenesser“) – und ist eindeutig für die große Leinwand gemacht.

Nichtlokalität als Vorteil

Wird die Erfahrung dieses speziellen Jahres das mit öffentlichen Geldern geförderte Festival mittelfristig verändern, auch wenn wieder normale Konzerte möglich sind? Im Interview mit der taz vor Festivalauftakt bezeichnet Christian Morin, einer der drei Kuratoren, die Nichtlokalität der diesjährigen Ausgabe als Vorteil: „Menschen überall auf der Welt können die von uns produzierten oder in Auftrag gegebenen Werke sehen. Dass führte etwa dazu, dass Evija Vēbere, eine lettische Künstlerin, im Interview im nationalen Fernsehen ihr Pop-Kultur-Werk bewirbt. Diese Effekte werden wir uns genau angucken. Vielleicht bleibt davon etwas – etwa indem wir Commissioned Works künftig auch filmisch dokumentieren.“

Das Feedback während der Festival jedenfalls unterstützt einen längerfristigen Ansatz. Welche Dynamik die Werke entwickeln, ist natürlich nicht abzusehen. Während die Viewingzahlen zum Auftakt eher verhalten schienen, gab es bis zum Samstag 24.000 Zuschauer*innen auf Facebook und Youtube. Tendenz vermutlich steigend, denn auch die Künstler können so entstandenes Material anders zirkulieren lassen als nach einer Liveshow.

Also alles super in der zwangsdigitalisieren Festivalwelt? Katja Lucker, ebenfalls Festivalkuratorin, bremst: „Das ist natürlich alles wahr. Aber es wäre falsch, so zu tun, als wäre alles megatoll. Es ist ja nicht erstrebenswert, in Zukunft nur noch alles online zu machen. Das ist zum einen für die Künstlerinnen uncool, weil es da diese Nicht-bezahl-Mentalität gibt. Zurzeit machen sie ja sowieso fast alles für umsonst – zwar nicht bei uns, aber bei den meisten Sachen, die im Netz gerade sonst noch so passieren. Abgesehen davon ist natürlich zu hoffen, dass wir alle bald wieder Live-Erlebnisse haben können.“ Etwas mitnehmen zu können hofft sie indes von anderen Aspekten: Das Festival war dieses Jahr klimafreundlicher, barrierearmer und niedrigschwelliger denn je.

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