piwik no script img

Polnischer Premier in MoskauStreit um Raketenschild und Gas

Polens Premier Donald Tusk und Russlands Präsident Putin stehen in Moskau Kontroversen bevor. Tusk wil eine Alternative zur Ostsee-Gaspipeline vorschlagen.

Er will die Eiszeit zwischen Polen und Russland beenden: Donald Tusk. Bild: dpa

WARSCHAU taz Der liberalkonservative polnische Premier Donald Tusk besucht heute in Moskau Russlands Präsidenten Wladimir Putin - und es wird zur Sache gehen. Während Russland den geplanten US-Raketenschild in Polen und Tschechien ablehnt, protestiert Polen gegen die geplante deutsch-russische Gaspipeline, die durch die Ostsee an Polen vorbeiführen soll. Die Begründung für das strikte "Nein" zu den geplanten Projekten des Nachbarn lautet fast identisch: "Sie gefährden Sicherheit und nationale Interessen unseres Landes."

Doch während russische Politiker in den letzten Wochen schon mal kräftig mit dem Säbel rasselten und Polen vor einer Wiederholung des Zweiten Weltkriegs warnten, baut Donald Tusk auf Gegenargumente. Er wird Wladimir Putin ein Alternativprojekt zur Gaspipeline durch die Ostsee und eine intensivere wirtschaftliche Zusammenarbeit vorschlagen. Tatsächlich verteuerte sich der Bau der so genannten Nord-Stream-Pipeline vom russischen Wyborg ins deutsche Greifswald bereits so sehr, dass inzwischen seine Rentabilität in Frage steht. Im Interview mit der russischen Nachrichtenagentur Interfax sagte Tusk: "Polen akzeptiert die Ostsee-Gaspipeline nicht, aber Russland kann natürlich seine Entscheidung treffen, ohne unseren Standpunkt zu berücksichtigen. Dennoch bleibt die Frage: Wozu soll man eine Gaspipeline bauen, die zwei- bis dreimal teurer ist, als sie sein müsste?"

Die Ängste Warschaus, dass Russland in Krisensituationen seine Gaslieferungen an Polen einstellen könnte, ohne dass auch der Westen vom Lieferstopp betroffen wäre, wurden bislang von Moskau, Berlin und Brüssel vom Tisch gewischt. Die russische Regierung zeigte sich empört über die Verdächtigungen - dabei hat sie in den letzten Jahren mehrfach politischen Druck über den Gashahn ausgeübt. Berlin und Brüssel wiederum sicherten Polen ihre Solidarität und Hilfe in Energie-Krisensituationen zu.

Das aber reicht nicht, um die Polen zu beruhigen. Tusk wird daher in enger Abstimmung mit den baltischen Republiken Estland, Lettland und Litauen die sogenannte "Amber"- oder "Bernstein"-Pipeline durch diese Länder und Polen vorschlagen. Sollte dieses Gegenprojekt tatsächlich wesentlich günstiger sein, als die für den Bau von Nord Stream geschätzten 12 Milliarden US-Dollar, könnte das womöglich auch in Moskau, Berlin und Brüssel noch ein Umdenken auslösen.

Ein Alternativprojekt zum US-Raketenabwehrschild in Polen scheint Putin nicht in der Tasche zu haben. Zumindest erwähnt Russlands Außenminister Sergej Lawrow in seinem Interview für die linksliberale Gazeta Wyborcza keinen Gegenvorschlag, der für Polen ähnlich überdenkenswert wäre wie die kostengünstige Amberpipeline für Russland. Polen, das als Nato-Mitglied demnächst rund 800 seiner älteren Raketen verschrotten und erneuern muss, will sich auch US-amerikanische Patriot- und THAAD-Raketen anschaffen. Dabei hofft es im Gegenzug für die Aufstellung des US-Raketenschildes in Nordpolen auf ein preisliches Entgegenkommen der US-Amerikaner. Zudem wünscht sich Polen, das sich in der Nato "nicht sicher genug fühlt", wie im letzten Jahr ein hochrangiger Beamter öffentlich erklärte, zusätzlichen Schutz durch die USA. Lawrow warnte nun Polen, den einstigen Satellitenstaat Moskaus, sich als Versuchsballon missbrauchen zu lassen. Die USA seien dabei, Russland mit einer Reihe von Militäreinrichtungen einzukreisen. Dies sei für Moskau inakzeptabel.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!