Polizeiwache am Kottbusser Tor: Oben thront die Repression
Innenverwaltung plant, „Kotti Wache“ im Neuen Kreuzberger Zentrum auf der Galerie zu errichten. Exponierter könnte der Standort kaum sein.
Nach Informationen der taz gibt es in der Innenverwaltung Überlegungen, die sogenannte „Kotti-Wache“ in den Räumlichkeiten des Neuen Kreuzberger Zentrums zu etablieren. Und zwar auf der Galerie, auch Brücke genannt, die über die Adalbertstraße führt. In den Räumen befand sich früher ein Wettbüro. Exponierter könnte der Standort kaum sein.
Von der Brücke aus könnten die Polizisten sowohl den Platz bis zur Hochbahn überblicken als auch die Adalbertstraße bis zum Bethaniendamm. Auf der Galerie unmittelbar benachbart mit der Wache wäre ausgerechnet das Café Kotti, Rückzugsraum für Flüchtlinge und People of Color.
Von der Innenverwaltung war zum Stand der Pläne am Freitag keine Stellungnahme zu erhalten. Am Montag steht das Thema auf der Tagesordnung des Innenausschusses. Nach der Senatsklausur hatte Spranger ankündigt, zügig ein Konzept für die Polizeiwache erstellen zu wollen. Die Wache werde im 24/7-Betrieb sein, Sichtbarkeit und Präzenz der Polizei werde am Kottbusser Tor so deutlich erhöht. Vorbild sei die am Alexanderplatz errichtete Polizeiwache. Zudem werde es am Kotti eine Videoüberwachung geben.
Die Suche nach einem Standort für die Kotti-Wache ist nicht einfach, weil es in der Gegend kaum Leerstand gibt – und noch weniger Freiflächen für einen eventuellen Neubau. Das Neue Kreuzberger Zentrum verfügt über 295 Sozialwohnungen und 90 Gewerbeeinheiten. Der graue Koloss wurde 2017 von Wohnungsbaugesellschaft Gewobag übernommen.
Das Kottbusser Tor ist als sogenannter kriminalitätsbelasteter Ort (kbO) eingestuft. Die Problemlage ist vielfältig. Die harte Drogen- und die Obdachlosenszene haben dort ihre Treffpunkte, dazu kommen in Nicht-Coronazeiten Partyvolk und Touristen. Teile der Gewerbetreibenden und Anwohnerschaft klagen schon lange über eine hohe Kriminalitätbelastung durch Diebstähle und Gewalt sowie über eine starke Verschmutzung der Gegend.
Es gebe am Kotti durchaus Befürworter einer Wache, erfuhr die taz aus Anwohnerkreisen, die Ablehnung sei aber nicht minder groß. Im Kiez leben nach wie vor viele Linke, die ein ausgesprochen kritisches Verhältnis zur Polizei haben. Und es gibt diverse Akteure der Straßensozialarbeit.
Eine Wache auf der Brücke des Neuen Kreuzberger Zentrums würde diese Ansätze kaputt machen, befürchtet ein langjähriger Anwohner. So eine „Leuchtturmwache“ würde den ganzen Raum nachhaltig dominieren und verändern. Die Aussage sei klar: „Über allem thront die Repression“. Für das zivilgesellschaftliche Kreuzberg wäre das ein Trauerspiel, ja mehr noch, eine Niederlage, findet er. „Wir sind enttäuscht, dass wir in die Pläne nicht partizipativ eingebunden worden sind.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
Die Wahrheit
Der erste Schnee
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu
Wanted wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen