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Polizeitgewalt als VideospielMit dem Knüppel

Das Videospiel „Riot Control Simulator: Rookie Day“ stattet uns mit der Montur und Macht von Polizisten aus. Es zeigt, wie sich beides missbrauchen lässt.

„Riot Control Simulator“ lädt die Spielenden nicht zur Zimperlich­keit ein Foto: Hersteller

Mit dem Knüppel können wir zuschlagen, mit dem Taser zwingen wir unser Gegenüber in die Knie, mit dem Schulterwurf können wir jeden zu Boden werfen. Und sollte das alles nicht reichen, können wir die Schrotflinte mit Gummigeschossen zücken und aus nächster Nähe in das Gesicht der vermeintlichen Gefahr schießen.

Ohne ersichtlichen Grund können wir Passanten festnehmen und abführen oder ebenso grundlos zuschlagen. Diese und weitere Formen der Polizeigewalt sind nicht nur Realität, sondern auch Teil des Videospiels „Riot Control Simulator: Rookie Day“. Dabei handelt es sich um eine plumpe Machtfantasie zum Nachspielen: Bereits im Startbildschirm fliegt uns das Blut der Demonstrierenden nach einem Knüppelschlag in Zeitlupe entgegen.

Ende Mai veröffentlichte das polnische Entwicklungsstudio Corpix Games seine Vorschauversion. In der zweiten Jahreshälfte soll das Spiel vollständig erscheinen. Als Polizist Snap werden wir gleich zu Beginn von unserer Frau als Held bezeichnet, damit die moralischen Weichen gestellt sind. Begrüßt werden wir von muskulösen Polizisten und solchen, die bereits in voller Montur herumstehen.

Es ist auffällig, dass wir neben zig Männern nur drei Frauen auf dem Revier treffen, eine davon die Reinigungskraft. Dafür sind die Waffenzeitschriften, die überall herumliegen, detailliert wie kaum eine andere Textur im Spiel. Wir lernen die Grundtechniken des Polizeieinsatzes – zusammenschlagen, entwaffnen, festnehmen – und werden in unseren ersten und in der Vorschau einzigen Einsatz geschickt.

Keine Kritik, nur Verherrlichung

Hier gilt es, eine Gruppe an gewaltbereiten Hooligans unter Kontrolle zu bringen und zuvor eine Straße zu räumen. Das können wir mit exzessiver Gewalt machen oder mit langatmiger, einschläfernder Überredungskunst. Nachdem wir jemandem aus nächster Nähe das Gesicht zerschlagen und dessen Leben für immer verändert haben, ermahnt uns ein Kollege. Doch erst nach dem dritten Mal werden wir suspendiert. Das Spiel möchte, dass wir Gewalt offensiv einsetzen, andere Inhalte hat es kaum zu bieten. Und nach maximal einer Stunde ist die Machtfantasie vorerst zu Ende.

„Riot Control Simulator: Rookie Day“ ist ein kleines, kaum beachtenswertes Spiel. Es ist technisch unsauber, repetitiv und gewaltverherrlichend. Und doch spielen es einige Youtuber und erreichen damit Hunderttausende von Klicks. Doch das Problem sind nie die Handlungen der Spielenden, sondern die In­ten­tio­nen der jeweiligen Entwickler:innen.

Die Ideen für das Spiel sind längst in der Entwicklung entstanden und eta­bliert, die Spielenden bekommen nur das Ergebnis. Corpix Games hat eine Liebe zur Autorität in Uniform, zur willkürlichen Gewalt gegen wen auch immer. Das Spiel bedient selbst in seinem frühen Zustand einen deutlichen Fetisch: die uneingeschränkte, blinde Loyalität zur Staatsgewalt.

Auch bei dem vollständigen Spiel wird man aller Voraussicht nach weder Kritik an Polizeigewalt noch an Machtmissbrauch finden. Das Potenzial für mehr wäre durchaus gegeben, zum Beispiel in Form einer Polizist:in, die die Gewalt ihrer Hundertschaft miterlebt und nun zwischen Berufsethos und ACAB steht. Selbst die „Max Payne“-Reihe hatte zumindest Ansätze, sich mit dem Alkoholismus des gleichnamigen Polizisten und einem korrupten System auseinanderzusetzen. Doch „Riot Control Simulator: Rookie Day“ kritisiert nicht, es verherrlicht nur.

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