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Polizeisprecherin auf AlkoholfahrtPolizei hält dicht

Göttingens Polizeisprecherin zieht ihre Kandidatur zur Kommunalwahl zurück. Ihr Arbeitgeber wollte den Fall offenbar diskret handhaben.

Karriere-Endstation? Eine Polizeikontrolle bei Göttingen. Bild: dpa

GÖTTINGEN taz | Nach einer Alkoholfahrt mit offenbar mehr als zwei Promille hat die Göttinger Polizeisprecherin und CDU-Kommunalpolitikerin Hilke Vollmer ihre Kandidatur für die Bürgermeisterwahl in der Gemeinde Gleichen (Kreis Göttingen) aufgegeben. Gleichzeitig wurde die 31-Jährige von ihrer Funktion bei der Polizei entbunden.

Vollmer war am Dienstagabend vergangener Woche nach dem Neujahrsempfang der Stadt Göttingen sichtlich angetrunken von Bekannten in ein Taxi bugsiert worden. Sie verließ den Wagen aber wieder und begab sich zu ihrem eigenen Auto. Gegen 22.30 Uhr stoppte eine Streife das Fahrzeug auf einer Ausfallstraße.

Die Polizei versah den Fall mit einem „Sperrvermerk“

Die Polizei berichtete zunächst nicht über den Vorfall mit Vollmer, er wurde erst an diesem Mittwoch durch einen Bericht im Göttinger Tageblatt öffentlich. Göttingens Polizeipräsident Robert Kruse bestätigte inzwischen, dass der Vorgang mit einem Sperrvermerk für die Presse versehen wurde. Dies sei „ein übliches Verfahren, wenn sensible persönliche Daten aus bestimmten Gründen zu schützen sind oder die betreffende Person von besonderem öffentlichen Interesse ist und alles erst überprüft werden muss“.

Nach Bekanntwerden der Promille-Fahrt hatte der Vorsitzende des CDU-Gemeindeverbandes Gleichen, Wolfgang Schöngraf, zunächst erklärt, die Partei werde die Bewerbung Vollmers für das Bürgermeisteramt weiter unterstützen. Am Mittwochabend erklärte die Kandidatin in einer schriftlichen Stellungnahme dann selbst ihren Verzicht: „In der letzten Woche habe ich einen schwerwiegenden Fehler gemacht, den ich zutiefst bereue“, heißt es darin. „Obwohl mir dieser Fehler zutiefst leidtut und ich mir immer wieder die Frage stelle, warum ich diesen begangen habe, so hilft diese Reue auch nicht darüber hinweg, dass ich auf Grund dieser Tat meine Autorität und das Ansehen für die Kandidatur als Bürgermeisterkandidatin beschädigt habe.“

Vollmer stammt aus dem Kreis Göttingen. Sie war Mitarbeiterin der Göttinger CDU-Bundestagabgeordneten Rita Süssmuth und Hartwig Fischer und später Pressesprecherin der CDU-Landtagsfraktion in Hannover. Im Sommer 2012 übernahm sie die Leitung der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit in der Polizeidirektion Göttingen. Die linke Szene der Stadt kritisierte die Personalie damals als „politisch motivierte Entscheidung“ der Landesregierung. Vollmer ist keine Beamtin, sondern bei der Polizei angestellt.

Die Staatsanwaltschaft ermittelt

Vom Dienst suspendiert ist sie dort zunächst nicht. Es werde aber geprüft, ob weitere arbeitsrechtliche Maßnahmen zu treffen seien, so Polizeichef Kruse. Inzwischen ermittelt auch die Staatsanwaltschaft gegen Vollmer wegen Trunkenheit im Verkehr. Wegen des hohen gemessenen Promillewertes – nach Polizeiangaben „deutlich über der strafrechtlich relevanten Grenze von 1,1 Promille“ – muss sie mindestens mit einer Geldstrafe rechnen. Ihren Führerschein ist Vollmer bis auf Weiteres los.

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8 Kommentare

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  • D
    derschreiber

    Ich verstehe den Sperrvermerk nicht. In der Lokalpresse liest man ja öfter mal. "51-jährige/r mit 2 Promille erwischt."

    Das Alter ist jetzt mal nur so gewählt, aber ich habe jedenfalls schon öfter so etwas gelesen, ohne das ich im Nachhinein dachte: Ah, das ist der und der den die da erwischt haben!

    Da wolle wohl jemand was unter den Teppich kehren.

  • J
    Jon

    Ich bin ebenso wie DEMOKRAT ein wenig irritiert. Ist die taz nun dafür, dass bei jeder Trunkenheitsfahrt sofort der Name in einer polizeilichen Pressemitteilung veröffentlicht wird?

    • @Jon:

      Es geht doch hier gar nicht um den Namen. Es geht doch wohl eher darum, daß auf der Presseseite der Polizeidirektion Göttingen bis zum heutigen Tag überhaupt nichts über diesen Vorfall vermeldet wurde.

      • @Carsten Stoppel:

        Wir sind doch keine Spiessbürger, oder?

        geschnüffelt wird doch genug in diesem Land.

  • Die Polizei hält Ihre eigene Mitarbeiterin an und die bekommt den Führerschein entzogen. Der Fall wird auch öffentlich. Eigentlich ein gutes Beispiel dafür, dass die Polizei nicht nach verschiedenen Maßstäben misst.

    Dass darüber hinaus noch arbeitsrechtliche Konsequenzen untersucht werden, ist ebenfalls bemerkenswert.

    Dass auch (und das sollte auch für alle gelten), Persönlichkeitsrechte beachten werden und daher auch die Ausgabe persönlicher Daten geschützt wird ist ebenfalls vorbildlich.

    Leider wird aus dem Vorgang versucht politisches zu agitieren. Das ist einfach nicht redlich.

    ich stelle mir vor, wenn ein "Linker" betrunken autofährt und dann persönliche Daten an die Öffentlichkeit kommen. Es gäbe einen Aufschrei wegen Verletzung der Persönlichkeitsrechte.

    Scheinheiliger Artikel. Jeder sollte gleich behandelt werden.

  • S
    Schadenfreude

    Hehe...

  • P
    pablo

    Straftäter in den eigenen reihen müssen natürlich besonders schützenswert.

    • G
      gast
      @pablo:

      Hallo? Wenn du betrunken Auto fährst mit 2 0/00 dann steht dein Name auch nicht in der Zeitung. Warum sollte es für Polizisten nicht auch gelten, dass ihre Persönlichkeitsrechte gewahrt bleiben?