„Polizeiruf“ aus Frankfurt (Oder): Ach du heilige Hure!
Wenn's mit „unbefleckter Empfängnis“ anfängt, ist der Abend gelaufen. Vollgepfropft mit Mutterschafts-Mystik verliert dieser Krimi jede Bodenhaftung.
Es gibt Leute, die einem jeden Fernsehabend versauen, weil sie nicht anders können, als zu kommentieren, was alles total verquer an dem jeweiligen Plot sei. Zu denen gehöre ich nicht. Eigentlich. Aber sich diese „Polizeiruf 110“-Folge trotz all der offenen Fragen und Widersprüche bis zum Ende anzusehen, ist eine Herausforderung.
Es geht damit los, dass eine junge, schwangere Frau auf der falschen Seite des Geländers der Stadtbrücke in Frankfurt (Oder) steht. Die Polizei ist da. Und dann latscht da ein vermeintlicher Passant einfach durch die Absperrung und redet auf die Frau ein. Und niemand fragt ihn, ob er eigentlich noch alle Latten am Zaun habe.
Die Antwort ist dann dennoch schnell gefunden: Hat er nicht. Der junge Mann heißt Jonas Fleischauer (Tom Gronau), nennt sich Elias und denkt, er sei ein Gesandter Gottes, weshalb er die 16-jährige Larissa Böhler (Paraschiva Dragus) retten will. Seine Sorge gilt vordergründig aber dem Kind, das sie in sich trägt, denn das sei, sagt er, etwas Besonderes.
Spätestens wenn erzkonservative Christen Anspruch auf den Körper einer Frau erheben, wird es bekanntlich ungemütlich. Nach einem kleinen Zeitsprung sieht man Larissa vor einem Eingriff auf dem OP-Tisch liegen. Die Ärzte verlassen den Raum, Jonas schleicht hinein. In einer nicht erträglichen Szene schneidet er das Kind aus ihrem Bauch. Er filmt das mit dem Handy, hält das Kind in die Kamera – als Bestätigung, dass es „gesund“ sei. Er löst den Feueralarm aus, damit ihr und dem Kind geholfen werde. Und flieht.
Frankfurt-(Oder)-„Polizeiruf“: „Heilig sollt ihr sein!“, So., 3. Mai, 20.15 Uhr, ARD
Zur Sicherheit noch Krebs
Allmählich fächert sich dann die Geschichte auf. Es geht um Trisomie 18 und den späten Abbruch einer Schwangerschaft. Es geht um konservative Christen und die Selbstbestimmung über den eigenen Körper. Und während das schon für einen spannenden Plot ausreichen würde, geht es dann aber auch noch um unbefleckte Empfängnis (!), Exorzismus, vermeintliche Wunder und die „Rückkehr des Messias“. Für sich genommen könnte auch das interessant sein. Leider reproduzieren die Macher hier aber ganz nebenbei das überholte Bild einer „reinen“, gebärenden Mutterhülle, einer Hure oder Heiligen, die nur Statistin in ihrem eigenen Leben ist.
Zu all den anderen merkwürdigen Mutter-Kind-Verhältnissen in dieser Folge kommt dann auch noch die krebskranke Mutter von Kommissar Adam Raczek ins Spiel und macht diese Folge zu einem enorm überladenen Krimi, der sich schlicht nicht entscheiden kann, was er will.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl 2025
Parteien sichern sich fairen Wahlkampf zu
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Bankkarten für Geflüchtete
Bezahlkarte – rassistisch oder smart?
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei