Polizeirecht in Niedersachsen: Schmerzgriffe nur noch mit Ansage
Ein Demonstrant wurde bei einem Polizeieinsatz verletzt. Die Gewalt war rechtswidrig, meint das Oberverwaltungsgericht Lüneburg.
Der Mann hatte sich im Januar 2013 an der symbolischen Besetzung eines leer stehenden Hauses im Zentrum von Göttingen beteiligt. Eine Gruppe von etwa 100 AktivistInnen wollte damit auf die prekäre Wohnraumsituation aufmerksam machen. Beamte der wegen mehrerer ruppiger Einsätze bereits in der Kritik stehenden Göttinger Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit räumten nach einem verstrichenen Ultimatum des Eigentümers das Gebäude und bugsierten die verbliebenen Besetzer ins Freie.
Dabei wendeten zwei Polizisten auch Schmerzgriffe an der Nase des Klägers an, um ihn zum Aufstehen zu bewegen. Der Mann erlitt dabei Verletzungen im Gesicht. Die auch aus Kampfsportarten bekannte Technik nutzt den Verlauf von Nervenbahnen: Durch Druck auf deren Schnittpunkte soll dem Gegner Schmerz zugefügt und seine Gegenwehr gebrochen werden.
Das Verwaltungsgericht Göttingen hatte eine Klage des Besetzers 2014 zunächst abgewiesen. Das OVG kassierte diese Entscheidung nun und erklärte die Anwendung von Schmerzgriffen in dem konkreten Fall für rechtswidrig. Weil dem Kläger ein nicht unerheblicher Schmerz zugefügt worden sei, hätte es nach Auffassung der Lüneburger Richter einer besonderen Androhung dieser Griffe vor ihrer Anwendung bedurft.
Über die grundsätzliche Frage, ob Schmerzgriffe bei polizeilichen Einsätzen überhaupt verhältnismäßig sind, entschied das Gericht allerdings nicht. Eine Revision gegen das Urteil ließ das OVG nicht zu.
Schmerzgriffe würden in jüngster Zeit mehr und mehr zur Standardmaßnahme geschlossener Polizeieinheiten im Umgang mit Demonstrierenden, kommentierte der Anwalt des Klägers, Sven Adam, den Richterspruch. Es sei erfreulich, dass das OVG mit seiner Entscheidung dieser Form von Gewalt rechtsstaatliche Grenzen gesetzt habe. Die Polizei müsse sich an diesem Urteil orientieren, forderte Adam.
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