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Polizeigewerkschafter über Terrorabwehr„Zugangssperren helfen nicht“

Die Anschläge in Brüssel werfen Fragen zur Sicherheit auf. Rüdiger Holecek über Informationsaustausch bei Behörden, verschärfte Kontrollen und deren Nutzen.

Die Polizei leitet die Menschen nach der Detonation vom Brüsseler Flughafen weg Foto: dpa
Interview von Richard Rother

taz: Herr Holecek, die Terroristen von Brüssel haben sich sogenannte weiche Ziele wie das Empfangsgebäude eines Flughafens oder eine U-Bahn-Station ausgesucht. Kann man solche Ziele nicht besser schützen, etwa durch Eingangskontrollen, wie es sie in einigen Ländern bereits gibt?

Es ist eine irrige Vorstellung, dass man sämtliche Flughafengebäude in Europa absperren und den Zutritt nur nach Zugangskontrollen erlauben könnte. Das würde hohe Kosten verursachen, die kaum jemand aufbringen möchte. Außerdem wäre der praktische Nutzen gering. Terroristen, die möglichst viele Menschen umbringen wollen, würden einfach auf andere Ziele ausweichen. Größere Menschenansammlungen gibt es in den europäischen Ballungsgebieten genug.

Warum haben die Barrieren nicht geholfen, die an den Eingängen der Brüsseler U-Bahn errichtet sind? Das sind doch geschlossene Türen.

Niemand kann einen unerkannten Terroristen daran hindern, sich eine Fahrkarte zu kaufen und durch die U-Bahn-Sperren zu gehen. Solche Barrieren helfen vielleicht im Kampf gegen Drogen-, Diebstahl- und Gewaltkriminalität – aber gegen Selbstmordattentäter mit hoher krimineller Energie können sie nichts ausrichten.

Sind wir schutzlos den Terroristen ausgeliefert?

Nein, natürlicht nicht. Es ist zwar undenkbar, dass wir vor jedem Supermarkt eine Taschenkontrolle durchführen. Aber wir können unsere Anstrengungen verstärken, mögliche Täter vor der Verübung von Anschlägen ausfindig zu machen und sie aus dem Verkehr zu ziehen. Das ist in Deutschland glücklicherweise schon mehrfach gelungen. Dafür brauchen wir aber einen besseren und schnelleren Informationsaustausch zwischen den Behörden in den EU-Staaten. Bedenklich ist, dass sich einer der Verdächtigen der Anschläge von Paris, Salah Abdeslam, monatelang unerkannt in Belgien aufhalten konnte.

Sprechen nicht Datenschutzbedenken gegen einen besseren Informationsaustausch der Behörden innerhalb Europas?

Es geht nicht darum, neue Daten zu erheben, sondern die Daten, die zur Verfügung stehen, auch anderen mitzuteilen. Daran hapert es bislang. Ein Vorbehalt in der Bevölkerung gegen den starken Flüchtlingszustrom war auch, dass dadurch viele Menschen unregistriert in Europa unterwegs sind. Wir müssen dringend die Kontrolle darüber gewinnen, wer sich in Europa aufhält.

Im Interview: Rüdiger Holecek

63, ist Sprecher der Gewerkschaft der Polizei (GdP). Die Gewerkschaft hat mehr als 177.000 Mitglieder und ist im DGB organisiert.

Braucht die Polizei mehr Kompetenzen?

Wir brauchen ein Umdenken in Teilen der Gesellschaft, in denen es ein gewisses Misstrauen gegenüber den Behörden gibt. Die Haltung „Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass“ funktioniert bei der Terrorabwehr nicht. Wenn wir Anschläge im Vorfeld verhindern wollen, brauchen wir auch einen besseren Zugang zu Telekommunikationsdaten von Verdächtigen. Wenn die Datenautobahn für Polizisten gesperrt ist, kann sie dort keine Täter verfolgen.

Außerdem muss die Polizei wieder mehr Personal für den Einsatz in den Wohngebieten bekommen. Gerade in schwierigen Gegenden, in denen Parallelgesellschaften zu entstehen drohen, muss die Polizei mehr Präsenz zeigen und braucht Beamte vor Ort, um die Stimmung mitzubekommen und so gefährlichen Entwicklungen frühzeitig begegnen zu können.

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6 Kommentare

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  • Zugangssperren helfen schon, sie müssten jedoch an den EU-Außengrenzen sein.

  • Merle Groneweg , Autor*in ,

    "Es ist zwar undenkbar, dass wir vor jedem Supermarkt eine Taschenkontrolle durchführen."

     

    Ich befuerworte das nicht, aber undenkbar ist das keineswegs, sondern zeitweise in dem unmittelbaren post-Attentat Paris geschehen und auch jetzt sind die (Taschen-)kontrollen taegliche Routine, z. B. an der Uni und dann, mensch weiss es nie, mal beim Kino oder vorm Supermarkt oder der Metro oder dem Club. Meistens nur als muedes Durchwinken.

  • All die Bemühungen die in Brüssel nach Paris getroffen worden sind, haben einfach versagt. Das überwachen der "legalen" Kommunikationswege wie in Frankreich ebenso.

     

    Mehr Polizisten in Problembezirke schicken, nunja klar kann das helfen, wenn an jeder Ecke in Sichtweite ein anderer Polizist steht.

     

    Der unüberschaubare Datenverkehr ist definitiv ein Problem, ein Problem welches mit unendlich vielen Mitteln womöglich gelöst werden kann.

     

    Andererseits könnte man aber mal versuchen die Radikalisierung zu verhindern, anstatt Extremisten weg zu sperren und hoffen das sie sich nicht noch weiter radikalisieren und zu Terroristen werden.

     

    Prävention gehört allerdings nicht vorrangig zur "ausführenden Gewalt". Statt mehr Polizisten müssen mehr Sozialarbeiter gefordert werden.

    Mehr Aufstiegschangen sprich Jobs für Leute aus solchen Problemvierteln. Polizisten können diese Problemviertel nicht beseitigen. Wir brauchen einfach andere herangehensweisen, als die die bisher versagt haben und in die man nun noch mehr Geld stecken will.

    • @Sascha:

      Alle wissen es, aber keiner sagt es: So etwas wie in Brüssel kann nicht verhindern, selbst in einem Polizeistaat nicht. Wenn irgendwer so etwas tun will, kann er es tun. Und wenn man mit solchen Taten ein weltweites Medienecho generieren kann und ganze Staaten ins Wanken bringt, dann werden das immer mehr Leute tun. Das ist einfach ungeheure Macht, die man diesen Leuten zugesteht.

       

      Wenn ich Europa-Diktator wäre, würde ich solche Meldungen zu den Wettermeldungen packen. "Schwere Überschwemmungen in Frankreich, 13 Tote. Bombenanschlag in Brüssel, 30 Tote. Schwerer Sonnenschein in Australien, bis zum Jahresende 200 Tote". Das würde es in einen Zusammenhang stellen, der realistischer wäre.

       

      Das Problem ist doch einfach, dass WIR es sind, die diesen Leuten diese Macht verleihen. Und immer noch darf an jeder Straßenecke für Zigaretten geworben werden, die mehr Opfer fordern als alle Terroristen und keinen stört es, weil FREIHEIT. Ja, Freiheit. Man tut was man will und bekommt was man verdient.

      • 8G
        86548 (Profil gelöscht)
        @Mustardman:

        Zigaretten mit Terrorismus zu vergleichen ist schon ein bisschen zynisch.

        • @86548 (Profil gelöscht):

          Noch zynischer ist es, auf einer Seite Krokodilstränen zu heulen und auf der anderen Seite zwanghaft wegzugucken, um nicht den Widerspruch sehen zu müssen.