Polizeigewalt in Frankreich: Die Akte Traoré wird geschlossen
Noch immer sind die Umstände, unter denen Adama Traoré 2016 nach einer Festnahme starb, ungeklärt. Der Verdacht liegt nahe, dass das so bleiben soll.
Der 24-jährige Adama Traoré war zunächst Opfer einer Verwechslung, als ihn drei Gendarmen am 19. Juli 2016 nach einer kurzen Verfolgung festnahmen und zu einem Polizeiposten in Persan im Departement Oise brachten. Dem Vernehmen nach hatten sie es auf seinen von den Behörden wegen Erpressungsverdacht gesuchten Bruder Bagui abgesehen. An diesem Sommertag war es extrem heiß. Kann das allein erklären, warum Adama Traoré nach zwei Stunden in Gewahrsam tot aufgefunden wurde?
In den vergangenen sieben Jahren lieferten gerichtsmedizinische Gutachten und Gegengutachten sehr unterschiedliche Versionen. Es bestand jedoch ein dringender Verdacht, dass Traoré bei der Festnahme zu Boden gedrückt wurde und dabei Atemnot bekam. Er habe selber gesagt, er bekomme keine Luft, bestätigten die Beamten zunächst.
In einer ersten Aussage hatten die Gendarmen erklärt, sie hätten sich zu dritt auf ihn geworfen, um ihn zu bändigen. Diese Aussage wurde später auf Druck der Anwälte dementiert und zurückgenommen.
Berufung gegen den Beschluss
Die Angehörigen und die Freunde von Adama Traoré sind empört. Da sie sich nicht mit diesem Ausgang der Untersuchung abfinden wollen, haben sie für kommenden Dienstag eine Protestkundgebung angekündigt. Ihr Anwalt will Berufung gegen den Gerichtsbeschluss einlegen. Für sie – und auch für die Antirassismusbewegung und andere Bürgerrechtler*innen – ist Adama Traoré ein Beispiel von Gewalt der Ordnungskräfte.
Aber kein George Floyd. Dessen Tod 2020 in Minneapolis bei einer offenbar grundlosen, brutalen Festnahme hatte eine Gerichtsverhandlung und eine Verurteilung der beteiligten Polizisten nach sich gezogen.
Hatte im Fall von Floyd ein Video besonders schockiert, ist es bei Traoré mehr der offensichtliche Versuch, eine für die Behörden peinliche Affäre möglichst schnell zu vertuschen.
Die Anwälte der drei Gendarmen, die beim Ermittlungsverfahren den Status von bloßen „Zeugen“ hatten, freuen sich über die „Rehabilitierung“ ihrer Klienten. Die rassistische Rechte sieht darin eine Niederlage der „Woke“-Bewegung, die aus Adama Traoré eine Symbolfigur gemacht hatte.
Seine Schwester Assa Traoré, bekanntestes Gesicht der Bewegung „Wahrheit für Adama“, ist zu einer charismatischen Sprecherin der Antirassismusbewegung in Frankreich geworden, aber auch die bevorzugte Zielscheibe der „Anti-Wokisten“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Sourani über das Recht der Palästinenser
„Die deutsche Position ist so hässlich und schockierend“
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Spardiktat des Berliner Senats
Wer hat uns verraten?
Autounfälle
Das Tötungsprivileg
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!