piwik no script img

Polizeigewalt bei S21-DemonstrationDas Vorgehen war „überzogen“

Das Stuttgarter Verwaltungsgericht hat bestätigt: Die brutale Räumung des Schlossgartens war rechtswidrig. Mehr als 100 Menschen wurden verletzt.

Wasserwerfereinsatz am „Schwarzen Donnerstag“ im Herbst 2010. Foto: dpa

Stuttgart dpa | Der überharte Polizeieinsatz gegen Stuttgart-21-Gegner vor gut fünf Jahren mit weit mehr als 100 Verletzen war rechtswidrig. Beim Protest gegen die Baumrodungen im Schlossgarten am 30. September 2010 habe es sich rechtlich gesehen um eine Versammlung gehandelt, entschied das Verwaltungsgericht Stuttgart am Mittwoch.

Für ein Vorgehen der Polizei gegen solche Versammlungen gibt es im Grundgesetz hohe Hürden. Zwar dürften die Beamten natürlich einzelne Straftaten verfolgen, nicht aber die gesamte Versammlung mit Wasserwerfern, Schlagstöcken und Pfefferspray beenden. Ohnehin sei das Vorgehen überzogen gewesen.

Geklagt hatten sieben Opfer von damals. Darunter ist der heute nahezu erblindete Dietrich Wagner, der am „Schwarzen Donnerstag“ nach heftigen Druckstößen aus einem Wasserwerfer gegen seinen Kopf aus den Augen blutete.

Mit der Entscheidung des Gerichts steigen die Chancen der Opfer von damals auf Schadenersatz. Diesen müssen sie sich aber vor dem Landgericht erstreiten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • Kernproblem und gerne verdrängt: Der damalige Missbrauch der Polizei durch die Politische Klasse, und PF die dabei mitgenmacht haben!

    • @KarlM:

      Kein Politiker hat expressis verbis verlangt, Kinder und Rentner mit Maximaldruck aus den Wasserwerfern vom Gehweg zu kärchern, Hausfrauen mit Pfefferspray aus Rucksack-Tornistern einzunebeln wie lästiges Ungeziefer oder offensichtlich Wehrlose mit Schlagstöcken und Springerstiefeln zu malträtieren. Da haben die Vertreter der Ordnungsmacht schon sehr alleinverantwortlich rechtswidrig und strafbar gehandelt - allenfalls in der begründeten Annahme, die herrschende (CDU-)Landespolitik werde die gängigen Rechtsbrüche, Übergriffe und Straftaten der Polizei im Rahmen von Demonstrationen keinesfalls verfolgen, weil sie das ja auch sonst nicht (und zwar nicht nur im "Ländle") tut und es ja auch zum miefig-spießbürgerlichen "guten Ton" in diesem Land gehört, da mal hübsch die Finger von zu lassen.

       

      Natürlich haben sich nur sehr wenige Polizisten rechtswidrig verhalten. Aber viele haben es gedeckt, wie sie das eben immer tun - zumindest solange sie nicht eine berufliche Neuorientierung ins Auge gefasst haben oder so enden wollen, wie ein Thomas Wüppesahl.

       

      Und ein paar innerhalb der Polizei-Hierarchie haben diese Übergriffe und Straftaten vorsätzlich angeordnet oder wenigstens nicht unterbunden. Und eben jene gilt es jetzt nicht nur mit ein paar Geldstrafen zu belegen, schon gar nicht mit solch lächerlich niedrigen Almosen, wie dies zuletzt bei einem der Einsatzleiter geschehen ist.

       

      Hier müssen sofortige Beendigungen der Dienstverhältnisse ohne Pensionsansprüche in Einheit mit einer langjährigen Haftstrafe ohne Bewährung und ohne die Möglichkeiten vorzeitiger Entlassung oder anderer Haftvergünstigungen durchgesetzt werden.

       

      Die Einführung einer eindeutigen Kennzeichnung von Einsatzkräften bei Demonstrationen ist mehr als überfällig. Und es muss auch endlich eine bundesweite, eigenständige und polizeiunabhängige Ermittlungsbehörde zur Untersuchung von Polizei-Straftaten eingeführt werden.