Polizeigewalt auf Zypern: Zyperns Polizei vertuscht Tötung von Pakistaner
Laut ballistischem Test ist ein Pakistaner mit einer Polizeiwaffe getötet worden. Niemand wurde festgenommen oder suspendiert. Viele Fragen bleiben.
Was war passiert? Polizeibeamte trafen am Dreikönigstag in der Region Potamia vor den Toren Nikosias auf Männer in Autos, die sie für Schleuser von Flüchtlingen und Migranten hielten. Die Beamten hätten nach eigener Aussage geglaubt, dass diese auf der faktisch geteilten Insel Zypern unbewachte Übergänge vom Inselnorden in den Inselsüden nutzten. Die Beamten hätten versucht, sie daran zu hindern. Ein Auto sei plötzlich auf sie zugefahren. Dies habe sie dazu gezwungen, zur Einschüchterung auf die Reifen und in die Luft zu schießen. Die mutmaßlichen Schleuser entkamen mit ihren Autos.
Einige Stunden später wurde der 25-jährige Pakistaner tot und halbnackt auf einem als Parkplatz genutzten Feld in Nikosia weit entfernt vom Ort der Schießerei gefunden. Der Gerichtsmediziner, der die Autopsie durchführte, erklärte zunächst, es bestehe keinerlei Verdacht auf ein Verbrechen. Ein Loch im Schulterblatt des Opfers sei auf eine zufällige Verletzung durch einen kleinen Stein zurückzuführen, der in die Wunde eingedrungen sei.
Die Polizei führte keine weiteren Ermittlungen durch. Der Ort in Nikosia, an dem die Leiche gefunden wurde, wurde nicht bewacht, um Beweise zu sichern. Tests auf Spuren einer möglichen Beteiligung anderer Personen wurden nicht durchgeführt. Den Fall bearbeitete eine örtliche Polizeistation, nicht die Kriminalpolizei.
Verbrechen von Polizisten bleiben in der Regel straflos
Nach vier Tagen wurde eine Autopsie durchgeführt. Derselbe Gerichtsmediziner, der zunächst ein Verbrechen ausgeschlossen hatte, gab bekannt, dass der Pakistaner durch eine Kugel gestorben sei. Eine Verbindung zu der Schießerei an der Grenze zwischen dem Inselnorden und Inselsüden wurde jedoch weiter tunlichst vermieden.
Doch die Nachrichtenseite Cyprus Times enthüllte, dass die Kugel im Körper des Pakistaners vom Kaliber 9 mm war. Genau dieses Kaliber hat die von der zypriotischen Polizei verwendete Munition. Die einzige Schießerei, in die die Polizei verwickelt war, fand just an jenem Tag, an dem die Leiche gefunden wurde, in Potamia statt. Ein daraufhin durchgeführter ballistischer Test – an Tag fünf nach dem Leichenfund – ergab: Die Kugel, die den 25-jährigen Pakistaner tötete, stammte aus der Waffe eines Polizisten.
Bis dato ist in der Sache kein Polizist verhaftet oder vom Dienst suspendiert worden. Mittlerweile kursiert der Verdacht, dass die Polizei den Tathergang vertuscht. Unklarheit herrscht weiterhin darüber, wie die Leiche vom Ort der Schießerei zu dem Ort gebracht wurde, an dem sie gefunden wurde.
Die zypriotische Polizei ist bekannt dafür, kriminelle Handlungen von Polizisten ungestraft zu lassen. Vor Kurzem wurde ein Wachtmeister suspendiert, nachdem Europol die zypriotischen Behörden darauf hingewiesen hatte, dass dieser nachweislich mit Personen des organisierten Verbrechens zusammenarbeitet. Obgleich die Ermittlungen in diesem Fall noch andauern, durfte der besagte Polizist wieder in den Dienst zurückkehren.
Ferner soll ein hochrangiger Polizist strafrechtlich relevante Handlungen begangen haben. Doch die zypriotische Generalstaatsanwalt verhinderte seine strafrechtliche Verfolgung mit dem Hinweis auf „Gründe des öffentlichen Interesses“. Unterdessen ist der Beamte ein Kandidat für die Beförderung zu Zyperns stellvertretendem Polizeipräsidenten.
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