Polizeieinsatz bei Demos in Berlin: Warum zieht sie nicht den Stecker?
Die Corona-Leugner*innen Demo am Samstag bot Neonazis die Möglichkeit, ungehindert durch die Stadt ziehen. Die Polizei bot dabei kaum Schutz.
D er bunte Mix aus Esoteriker*innen, Nazis, Hippies, Reichsbürger*innen, Anthros und Verschwörungstheoretiker*innen jeglicher Couleur, der am Wochenende zu Tausenden triumphierend durch das Zentrum der Hauptstadt zog, war in vielerlei Hinsicht ein Trauerspiel.
Die Infektionsgefahr des absurden Spektakels rückte dabei schnell ins Zentrum der Debatte: Die offensichtliche Ignoranz der Coronaleugner*innen gegenüber jeglicher Hygieneauflage, wie Masken oder Abstand, lösten in Anbetracht steigender Infektionszahlen eine Welle der Empörung aus. Die ist berechtigt, denn die Gefahr, dass eine bundesweite Massenversammlung von Menschen, deren kleinster gemeinsamer Nenner das Missachten von Vorsichtsmaßnahmen ist, zu einem Superspreader-Event wird, ist real. Zumal wenn man bedenkt, dass sich für die Teilnehmenden auch nach ihrer Heimfahrt nicht viel daran ändern wird und sie wahrscheinlich auch in ihrem Alltag ihre Mitmenschen gefährden werden.
Was bei der Aufregung über den fehlenden Infektionsschutz unter den Tisch zu fallen droht, ist der psychologische Effekt, der die Demo auf die Szene hatte. Wie berauscht zogen sie durch Berlins Zentrum, sahen sich in ihren kruden Verschwörungstheorien bestätigt. Während der Endkundgebung auf der Straße des 17. Juni ergötzten sich die Redner*innen in Umschwungsfantasien.
Inkonsequente Polizei
Organisierte Neonazis konnten sich ungehindert durch das Stadtgebiet bewegen und Passant*innen, Antifas und Journalist*innen bedrohen. Aber auch die gemäßigtere Mehrheit der Demo muss an diesem Tag das Gefühl gehabt haben, dass sie machen können, was sie wollen. Das dürfte ihre Schwurbel-Aktivität auf lange Zeit verstärken.
Verantwortlich dafür ist auch das inkonsequente Vorgehen der Polizei. Während sie bei linken Protesten auch bei kleineren Verstößen hart durchgreift, ließ sie den freundlichen Ansprachen keinerlei Taten folgen. Selbst als klar war, dass keine*r der Teilnehmer*innen an diesem Tag einen Mundschutz aufsetzen werde, ließen die Beamt*innen die Abschlusskundgebung ohne Einschränkungen zu. Sie hätten einfach den Stecker fürs Mikro ziehen können.
Daher sollte fürs nächste Mal klar sein: Antifaschistischer Gegenprotest ist unersetzlich. Dann wird erfahrungsgemäß auch wieder die Polizei in ausreichender Zahl da sein.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
Umgang mit nervigen Bannern
Bundesrat billigt neue Regeln für Cookies