Polizeiarbeit im Smart Home: Mehr Schaden als Nutzen
Die polizeiliche Auswertung von Smart-Home-Geräten ist ein gravierender Eingriff in die Privatsphäre, der weder notwendig noch verhältnismäßig ist.
N atürlich ist es aus Sicht der Polizei verlockend, Daten aus Smart-Home-Geräten für Ermittlungen zu nutzen. Aber das gemeinsame Projekt von Uni und Polizei ist gefährlich. Denn es ist ein Türöffner für eine schleichende Erweiterung polizeilicher Befugnisse bis in den intimsten Raum, das eigene Zuhause. Die Polizeiarbeit im Smart Home ist ein massiver Eingriff in die Privatsphäre und birgt die Gefahr einer umfassenden Überwachungsinfrastruktur. Im Extremfall kann das zum „Chilling Effect“ führen: Wir ändern aus Angst vor Überwachung unser Verhalten.
Dass der Datenschutz „eine wesentliche Rolle“ spielt, die Datenauswertung sich an vorhandenen Regeln orientiert und richterlich angeordnet werden muss, ist das Mindeste. Der Hinweis, Nutzer:innen hätten der Verwendung ihrer Daten bei der Installation längst „ex- oder implizit“ zugestimmt, trifft aber nicht. Denn die Smart-Home-Infrastruktur wird zweckentfremdet und vielen ist beim Kauf der Geräte gar nicht bewusst, welche Daten gesammelt werden und wie diese genutzt werden könnten. Die nachträgliche Nutzung für polizeiliche Zwecke war sicherlich nicht Teil der ursprünglichen Zustimmung.
Außerdem lassen Daten wie Stromverbrauch oder Bewegungsmuster eindeutige Rückschlüsse auf kriminelle Aktivitäten gar nicht zu. Die Gefahr von falschen Verdächtigungen und ungerechtfertigten Ermittlungen steigt also.
Zudem unterschätzt das Projekt die Möglichkeit von Datenmanipulation. Technisch versierte Kriminelle könnten Geräte nämlich auch gezielt nutzen, um falsche Spuren zu legen oder Alibis zu konstruieren. Ermittlungen würden dann in die Irre geführt und Unschuldige belastet werden.
Die Frage nach der Verhältnismäßigkeit
Ganz grundsätzlich stellt sich die Frage nach der Verhältnismäßigkeit und Notwendigkeit solcher Überwachungsmethoden. Denn die Aufklärungsquote bei Kapitalverbrechen ist bereits hoch. Der potenzielle Nutzen der neuen Technologien wäre also gering, der gesellschaftliche Schaden aber umso höher. Denn wenn die neuen Methoden erst einmal etabliert sind, besteht die Gefahr, dass der Zugriff auf Smart-Home-Daten auch bei weniger schwerwiegenden Delikten gefordert wird.
Dass ein Projekt mit solch weitreichenden Implikationen für die Privatsphäre mit öffentlichen Mitteln gefördert wird, ohne dass darüber eine breite gesellschaftliche Diskussion stattgefunden hat, ist höchst bedenklich. Es steht für einen besorgniserregenden Trend zur Ausweitung staatlicher Überwachung unter dem Deckmantel der Verbrechensbekämpfung.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Interner Zwist bei Springer
Musk spaltet die „Welt“
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Nach dem Anschlag von Magdeburg
Wenn Warnungen verhallen
Kaputte Untersee-Datenkabel in Ostsee
Marineaufgebot gegen Saboteure
BSW-Anfrage zu Renten
16 Millionen Arbeitnehmern droht Rente unter 1.200 Euro
Psychiater über Kinder und Mediennutzung
„Die Dinos bleiben schon lange im Schrank“