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Polizei und rechtsextreme DrohschreibenHessen, wir haben ein Problem

Janine Wissler und Idil Baydar bekamen Drohungen von Rechtsextremen mit Verbindungen zur hessischen Polizei. Nun muss der Polizeichef gehen.

Bekam Drohmails: Schauspielerin und Kabarettistin Idil Baydar bei einer Fernsehaufzeichnung Foto: imago

Frankfurt am Main taz | Die wiederholt von Rechtsextremisten bedrohte Kabarettistin Idil Baydar wurde offenbar mit Datenabrufen aus einem Polizeicomputer ausgespäht. Das jedenfalls geht aus einem internen Vermerk der hessischen Polizei hervor, aus dem die Frankfurter Rundschau am Dienstag zitiert. Die Comedian wird seit Monaten mit rassistischen Schmähbotschaften und Morddrohungen attackiert. Mit Ihr sind es jetzt bereits drei gegen Rassismus und Rechtsextremismus engagierte Frauen, die Drohungen von anonymen Tätern erhalten haben, die sich zuvor sensible Daten ihrer Opfer aus polizeiinternen Informationssystemen besorgen konnten.

Seit August 2018 lebt die Frankfurter Rechtsanwältin Seda Başay-Yıldız, die im Münchner NSU-Prozess eine Opferfamilie vertreten hat, mit solchen Drohungen. Mehrfach erhielt sie widerliche Mails mit Morddrohungen gegen sie und ihre Familie, die mit „NSU2.0“ unterzeichnet waren. Vor gut einer Woche wurde schließlich bekannt, dass auch die Fraktionsvorsitzende der Linken im hessischen Landtags, die Linken-Bundes-Vize Janine Wissler erstmals im Februar mit einem fingierten „Todesurteil“ vom Absender NSU2.0 bedroht wurde. In allen drei Fällen waren zuvor persönliche Daten von Polizeicomputern abgerufen worden.

Unterdessen gerät deshalb der oberste Dienstherr der hessischen Polizei, Innenminister Peter Beuth, CDU, immer stärker unter Druck. Am Donnerstag hatte der Minister öffentlich eine Breitseite gegen das ihm unterstellte Landeskriminalamt gefeuert. Er nannte es „inakzeptabel“, dass er im Fall Wissler erst am Tag zuvor vom Datenabruf von einem Polizeicomputer erfahren habe. Am Freitag entmachtete er die LKA-Spitze, indem er einen „Sonderermittler“ mit der Federführung der Fahndung betraute.

Am Dienstag teilte das Innenministerium mit, Landespolizeipräsident Udo Münch sei mit sofortiger Wirkung in den Ruhestand versetzt worden. Minister Beuth sagte, als oberster Polizist übernehme Münch Verantwortung für Versäumnisse, „die er nicht alleine zu vertreten hat. Mit seiner Entscheidung will er auch das Vertrauen in die hessische Polizei erhalten“. Die Landtagsopposition sprach dagegen von einem Bauernopfer.

Zeitgleich wurden FAZ und FR offenbar polizeiinterne Vermerke zugespielt, die den Minister in Verlegenheit bringen. Bereits im März, so geht aus den Vermerken hervor, seien Beamte des Landespolizeipräsidiums über diesen brisanten Datenabruf von einem Polizeicomputer informiert worden. Auf taz-Anfrage erklärte das Ministerium, dass „nunmehr“ aufgearbeitet werde, weshalb „der Minister nicht unmittelbar über einen solch schwerwiegenden Verdacht informiert wurde“. Weiter heißt es: „Die Aufarbeitung ist in vollem Gange. Die bisherigen Darstellungen haben weitere Nachfragen ergeben, die zurzeit noch erörtert werden“.

Schuldzuweisung zurückgenommen

Bemerkenswert ist bei dieser Formulierung, dass der Minister seine einseitige Schuldzuweisung gegen das LKA nicht wiederholt. „Das Landespolizeipräsidium ist direkt im Innenministerium angesiedelt“, erinnerte der Linken-Abgeordnete Hermann Schaus: „Wenn derart brisante Informationen von dort nicht den Weg zum Minister persönlich finden, ist das ein ungeheuerliches Organisationsversagen innerhalb des Ministeriums“, so der Linke. Der parlamentarische Geschäftsführer der SPD, Günter Rudolph, erklärte: „Der Minister hat offensichtlich erst die Übersicht und dann die Selbstkontrolle verloren.“

Die Oppositionsparteien wollen jedenfalls Klarheit über die widersprüchlichen Informationen aus den hessischen Behörden. Nach taz-Informationen wird der Innenausschuss des hessischen Landtags schon in der kommenden Woche zu einer Sondersitzung zusammentreten.

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7 Kommentare

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  • Hr. Beuth, Treten Sie zurück.

    • @yurumi:

      Ist er schon.

  • Es kann also jeder ohne sich zu identifizieren daten aus dem Computer abrufen? Wenn das wahr ist ist dies die größte Schlampetei aller Zeit. Und wie im Falle der Rechtsanwältin von einem Polizeifax ein Fax abgeschickt werden und keiner weiß von welchem Fax?



    Das glaube ich einfach nicht. Ich tippe auf Vertuschen bis in die obersten Etagen.



    Ansonsten geht sowas nicht!!!

    • @Jakob Cohen:

      Vorratsdatenspeicherung ist für den Pöbel - nicht für den Herrn.

      Ja es ist beschämend.Selbst wenn man sowas nicht hatte (z.B. wie bei den Banken, das der Mitarbeiter seine Karte durchziehen muss bevor der PC entsperrt wird), man hätte das ich den vergangenen Monaten seit dem ersten Fall ganz einfach inzw. installieren lassen können.

      Die Frage ist jetzt: inkompetent oder Vorsatz?

    • @Jakob Cohen:

      Entweder das, oder die IT-Sicherheitsmaßnahmen gehören gehörig auf den Prüfstand gestellt. Es muss exakt klar sein welche Person solche Dienste nutzt und dieser muss genau Begründen müssen warum diese Datenabfrage notwendig war. Alles andere ist skandalös.

      • @Henrik WM:

        Wohl geht es aber um die Möglichkeit, jederzeit vertuschen, schreddern oder leugnen zu können, wenn es mal brenzlich wird und es jemand von ausserhalb der P-Behörde genauer wissen will. Z.B. warum Herr Temme just zugegen war, als der Mord an Halit Yozgat in seinem Internetcafe in Kassel durch den NSU geschah.



        Oder halt aktuell die Datenabfragen und wer diese getätigt hat.