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Polizei ohne PeffersprayJusos gegen Sprayer

Die Polizei soll künftig kein Pfefferspray mehr einsetzen. Das fordern die Jusos in einem Antrag für den SPD-Parteitag am 25. Mai SPD-Abgeordnete sind dagegen.

Sieht nicht ganz so aus wie eine politisch korrekte Spraydose: Pfefferspray Marke Polizei. Bild: ap

Steht Berlins SPD vor dem nächsten Linksruck? Auf Antrag der Jusos müssen die Delegierten auf dem Landesparteitag am 25. Mai über ein Verbot des Einsatzes von Pfefferspray abstimmen. „Die Polizei setzt immer öfter Pfefferspray ein“, begründet Jusochef Kevin Kühnert gegenüber der taz den Antrag. „Vor allem gegen die Blockierer der NPD-Demo in Schöneweide am 1. Mai war der Einsatz unverhältnismäßig.“

In dem Antrag heißt es: „Daher fordern wir den SPD-geführten Senat von Berlin auf, den Einsatz von Pfefferspray durch die Berliner Polizei in Zukunft grundsätzlich zu verbieten.“ Nur noch in Ausnahmefällen dürfe das Reizgas verwendet werden. „Jeder einzelne Ansatz ist zu protokollieren und bedarf einer nachträglichen Prüfung.“ Als Grund nennen die Jusos gesundheitliche Risiken. Allein 2009 hätten sich mindestens drei Todesfälle nach einem Einsatz von Pfefferspray ereignet.

Der Antrag hat gute Chancen, von den knapp 230 Delegierten angenommen zu werden. Die Antragskommission für den Parteitag hat ihn auf die sogenannte Konsensliste gesetzt. Allerdings gibt es in der SPD auch Vorbehalte gegen ein Verbot von Pfefferspray. „Damit würden wir der Polizei bei Einsätzen gegen häusliche Gewalt ein wirksames Mittel nehmen“, kritisierte der Innenexperte Thomas Kleineidam. „Es kann nicht sein, dass die Beamten dann mit gezücktem Knüppel oder gar mit gezogener Dienstwaffe anrücken.“ Wenn es bei Demonstrationen zu Verwerfungen gekommen sei, so Kleineidam, müsse man das parlamentarisch untersuchen. Den Einsatz in Schöneweide nannte er „verhältnismäßig“.

Ins gleiche Horn stieß der SPD-Abgeordnete Tom Schreiber, der wie Kleineidam im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses sitzt. „Pfefferspray wird auch gegen Rechtsextreme und Salafisten eingesetzt.“

Bei der CDU sieht man das ähnlich. „Diejenigen, die jetzt den Zeigefinger heben, müssen sich ernsthaft fragen, welche Mittel den Polizisten bleiben, um die friedlichen Demonstranten und sich selbst zu schützen“, sagte der Generalsekretär der Berliner CDU, Kai Wegner. Der nächste Linksruck könnte wohl ausfallen. UWE RADA

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8 Kommentare

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  • B
    Beobachterin

    Für alle, die mehr zum Thema Pfefferspray wissen wollen:

     

    DIE LINKE im Bundestag fordert bereits seit längerer Zeit ein Verbot des Einsatzes von Pfefferspray bei Versammlungen. Ein entsprechender Antrag (Drs. 17/5055) wurde im November 2012 mit den Stimmen von Koalition und SPD abgelehnt…

     

    Interessante Hintergrundinfos finden sich in dem Gutachten „Der Einsatz von Pfefferspray gegen Demonstranten durch Polizeikräfte – Gesundheitliche Auswirkungen und Grundsätze der Verhältnismäßigkeit“ sowie dem aktuellen Papier „Gewalt aus der Dose - Die zunehmende Verwendung von Pfefferspray durch die Bundespolizei“. Beide stehen unter http://www.linksfraktion.de/abgeordnete/karin-binder/downloads zur Verfügung.

  • S
    sonne

    Pfeffersprayeinsatz bei demonstrationen ist heute

    nicht der ausnahme- sondern der regelfall über den

    nicht mehr berichtet wird,wie zuletzt bei der

    zwangsräumung in kreuzberg,wo die polizei nur

    mit pfefferpray eine friedlich blockade in der

    wiener strasse aufelöst hat

  • M
    Max

    habt ihr einen Riss in der Schüssel? "Linksruck", weil man der Ploizei ihr derzeit völlig willkürlich eingesetztes aber hochgefährliches Lieblingsspielzeug wegnehmen will? Was ist denn das für eine Art von Stimmungsmache?

    Mann taz, komm mal klar!

  • H
    Hans

    "Steht Berlins SPD vor dem nächsten Linksruck?"

    Das ich nicht lache, die SPD, links? Die SPD vertritt die selben politischen Ansichten wie die CDU. Sie "sagt" nur manchmal Dinge, die nach "links" klingen, damit ihr ehem. Wählerklientel nicht gänzlich abdankt.

     

    Aber ich bin den Jusos für ihren Vorstoß dankbar. Die Jusos entgegen den Realpolitikern haben sich als einzige Wenige etwas vom SPD-Erbe erhalten.

     

    @Dieter G.:

    Das kommt so häufig vor? Nazis verhalten sich bei Demonstrationsaufzügen meist "friedlich", weil sie von oben die Order haben (und 50 marodierende Heinis, damit kann die Polizei ggf. noch mit Wasserwerfer, Schild und Stock angehen). Das letzte Mal, das die Nazis in Berlin außer Kontrolle geraten sind:

    http://www.taz.de/Rechtsradikaler-Aufmarsch/!70761/

    war die Schuld der Polizei.

  • B
    Beteigeuze

    „Pfefferspray wird auch gegen Rechtsextreme und Salafisten eingesetzt.“

     

    Na, zumindest im ersten Beispiel ist das Vorgehen der Polizei ja auch in Ordnung; verwerflich ist bloß der Einsatz des Sprays am eigenen Klientel.

     

    Der Antrag sollte einfach um einen Passus der von den Jusos als besonders schützenswert erkorenen Zielgruppen ergänzt werden.

  • DG
    Dieter G.

    Ich kann wirklich nur den Kopf schütteln! Was soll denn die Polizei machen, wenn bei einer Gegenkundgebung 300 vermummte Nazis mit Flaschen und Steinen auf die Polizei losgeht?

     

    Die Schußwaffe einsetzen und die erste Reihe erschießen?

  • DP
    Dr. Pepper

    Ein Gutachten kommt zur Schlussfolgerung:

     

    "Pfefferspray ist zum Einsatz bei Polizeikräften als Hilfsmittel der körperlichen Gewalt und zur Ausübung des unmittelbaren Zwanges nicht geeignet. Der Reizstoff und die dafür verwendeten Sprühgeräte können auf Demonstrationen nicht so eingesetzt werden, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt bleibt. [...] Gegenüber Demonstranten ist es den Beamten jedoch nicht möglich, im Einsatzgeschehen gesundheitliche Vorbelastungen [z.B. Atemwegserkrankungen] sowie den Einfluss von Medikamenten oder Drogen einzuschätzen. [...] Das konkrete Risiko einer lebensbedrohlichen Verletzung oder ein Todesfall kann bei Demonstrationen, beispielsweise zum Zwecke einer Platzräumung, nicht geduldet werden und ist daher nicht vom Grundgesetz gedeckt. Die Unkontrollierbarkeit der Wirkung von Capsicum-Reizstoffen stellt zudem das Erreichen des polizeilichen Zwecks bei Demonstrationen in Frage. Die von Reizstoffattacken verursachten Panik-, Angst- und Gegenwehrreaktionen bei den Betroffenen führen nicht zu einer besseren Kontrolle der Einsatzsituation sondern erhöhen das Risiko der Eskalation.

     

    [...]Pfefferspray kommt in der Praxis nicht nur bei gewalttätigen Angriffen Einzelner gegen Polizisten zum Einsatz. Bei Großveranstaltungen wird es auch verwendet, um sich friedlich verhaltende Menschenansammlungen zurück zu drängen oder Sitzblockaden aufzulösen. In einer solchen Situation mit hoher Personendichte kommt es in der Folge eines Reizstoffeinsatzes häufig zu Panik-, Angst- und Gegenwehr-Reaktionen. Auch sind lebensbedrohliche Zustände durch Atemstillstand, Schock oder Herz-Kreislauf-Versagen möglich.[...]"

    http://www.karin-binder.de/fileadmin/mdb-seiten/mdb-binder/2010-pdf-dok/Gutachten_-_Einsatz_von_Pfefferspray.pdf

  • BA
    bloggender Augenzeuge

    "Die Nazis waren zu dem Zeitpunkt noch weit von dem Ort entfernt, an dem der Wasserwerfer zum Einsatz kam. Die Morgenpost schreibt etwas Steinwürfen, als Quelle wird die Polizei benannt. Ich war vor Ort und habe keine Steinwürfe gesehen. Aber den Einsatz von Knüppeln durch die Polizei, bis jetzt(?) verschwiegen durch fast (?) alle Medien. Ursache für den Einsatz "unmittelbaren Zwangs" : Die "Hamburger Gitter", die die Gegendemonstranten von der geplanten Route des Naziaufmarsches trennen sollten, wurden auseinandergezogen, woraufhin die Polizei massive Gewalt einsetzte um die Route der Nazis frei zu halten."

    http://www.freitag.de/autoren/bastian84/revolutionaerer-1-mai-in-berlin-und-die-medien

     

    "Und, so der Herr Wegner, über die sonst mittlerweile völlig schutz- und wehrlosen Polizisten weiter wörtlich: 'Diejenigen, die jetzt den Zeigefinger heben, müssen sich ernsthaft fragen, welche Mittel den Polizisten bleiben, um die friedlichen Demonstranten und sich selbst zu schützen'

     

    Ob der Generalsekretär der CDU mit friedlichen Demonstranten die Nazis meinte, im NPD-Sprech "Anstänige Deutsche", deren Gesinnungskameraden sich am 1. Mai mit 150 Leuten auf ihrer spontanen Ausweichdemo in Hanau unbehelligt von der Polizei eine Auseinandersetzung mit "migrantischen Jugendlichen" lieferten, während die Polizei Südhessens beschäftigt war Gleisblockieren in Frankfurt die Personalien abzunehmen und die Arme zu brechen, bleibt unklar."

    http://www.freitag.de/autoren/bastian84/kein-reizgas-fuer-polizisten-mehr-in-berlin