Polizei gibt Soko auf: Brandstifter sind ausgebrannt

In Berlin brennen immer weniger Autos. Stattdessen stehen nun die Zündler vor Gericht. Die Polizei löst ihre Sonderkommission gegen die Brandstifter auf.

Bürgerschreck: Über 700 Autos brannten im vergangenen Jahr. Bild: dpa

Es war eine eher unkonventionelle Brandstiftungsvariante. Mit stammelnden Worten gesteht Thomas D. am Dienstag vor dem Amtsgericht Tiergarten, wie er mit seinem Exkumpel Andy W. in der Nacht des 4. November einen VW-Kleintransporter in Lichtenberg in Brand gesetzt hatte. Mit einem Schraubendreher habe er die Seitenscheibe des Autos aufgehebelt, dann mit einem Feuerzeug den Rücksitz in Brand gesetzt, erzählt der 23-Jährige. Auch Andy W. soll darauf im Innenraum gezündelt haben.

Dass sich in dem T4-Transporter auch eine Propangasflasche befand, wussten die beiden Arbeitslosen nicht. Der Wagen explodierte, brannte vollständig aus, ebenso ein nebenstehendes Auto. Bei sechs weiteren Fahrzeugen kam es aufgrund der Hitze zu Lackschäden. "Ich war angetrunken und bin auf eine dumme Idee gekommen", murmelt D. "Nüchtern wäre mir das nicht passiert." Andy W. widerspricht: Er selbst habe zuerst einen Feuerwerkskörper in den Wagen geworfen. Der Knaller sei erloschen. Dann habe Thomas D. mit dem Feuerzeug den Rücksitz angezündet und so die Explosion verursacht.

537 Autos wurden 2011 in Berlin angezündet, weitere 222 Wagen gerieten mit in Brand. Es war, nach 2009, ein weiteres Hochjahr der Autozündler in der Hauptstadt. Seit Oktober aber gehen die Brandstiftungen deutlich zurück. Nun verlagert sich die Chose auf die juristische Ebene: Nach und nach finden sich die Brandstifter vor den Gerichten wieder, wie am Dienstag vorm Amtsgericht Tiergarten.

Auch die Polizei teilte mit, ihre Einsatzgruppe gegen die Brandstifter mit Jahresbeginn eingestellt zu haben. Ein Sprecher begründet das mit "sinkenden Fallzahlen". Bereits Anfang November seien die nächtlichen Brandstreifen deutlich reduziert worden, am Montag sei die Sonderkommission "Feuerschein" gänzlich aufgelöst worden. "Der Fahndungsdruck bleibt aber weiter hoch", versichert der Sprecher. "Kommt es wieder zu Brandanschlägen, können wir die Maßnahmen sofort wieder anpassen."

Nach der Hochphase der Brände hielten ab Ende August nachts bis zu 650 Zivilbeamte nach Brandstiftern Ausschau. Auch Bundespolizisten patrouillierten mit. Tatsächlich wurden mehrere Zündler gefasst, Ende Oktober auch ein 27-jähriger Arbeitsloser, der allein für 102 Brandstiftungen verantwortlich sein soll. Er sitzt seitdem in U-Haft. Die Ermittlungen seien "im Wesentlichen abgeschlossen", so Martin Steltner, Sprecher der Staatsanwaltschaft. Ein Gutachten zur Schuldfähigkeit stehe noch aus.

Laut einem Tagesspiegel-Bericht gelangen den Brandstreifen auch Beifangerfolge: Sicherheitskreise bestätigten interne Zahlen der Bundespolizei, wonach die Polizisten 52 Personen wegen Sachbeschädigungen, 22 wegen Diebstählen, 15 wegen Drogendelikten und neun wegen Trunkenheitsfahrten fassten. Zudem seien Auto- und Fahrraddiebstähle sowie Graffiti-Sprüher entdeckt worden.

Mit den nun freigesetzten Beamten kann die Polizei wieder verstärkt diesen Delikten nachgehen. In den letzten Monaten stiegen etwa Einbruchsdelikte in Berlin deutlich. Ausgestanden ist aber auch die Autobrandserie nicht: In diesem Jahr brannten erneut sechs Autos, zwei weitere wurden dadurch mitbeschädigt.

In den letzten Wochen wurden bereits mehrere Brandstifter verurteilt, Anfang Dezember auch ein 25-jähriger Linker zu einer Haftstrafe von zweieinhalb Jahren. Die Polizei wertet 117 der 537 angezündeten Autos als politische Taten. Zwei weitere linke Brandstifter erhielten Bewährungsstrafen.

Derweil scheint "Berliner Modell" auch in Übersee Nachahmer zu finden: Am Montag wurde in Los Angeles ein deutscher Serienbrandstifter verhaftet. Der 24-Jährige aus Frankfurt/Main soll vier Tage lang mehr als 50 Brände, die meisten an Autos, verübt haben.

Andy W. und Thomas D. müssen noch auf ihr Urteil warten: Zuerst müsse der Sachschaden der zerstörten Pkws geklärt werden, befindet der Amtsrichter. Der Prozess soll am 17. Januar fortgesetzt werden.

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