Polizei bei Zwangsräumung: Piraten kritisieren Einsatz
Beim Polizeigroßeinsatz in der Lausitzer Straße waren Mitte Februar auch rund 60 Zivilbeamte im Einsatz. Die Piraten fragen sich, warum so viel Heimlichkeit nottut.
Um Mitte Februar die Kreuzberger Familie Gülbol aus ihrer Wohnung zwangszuräumen, bedurfte es eines Polizeigroßeinsatzes. Wie groß er tatsächlich war, machen Zahlen deutlich, die jetzt die Innenverwaltung auf eine Piraten-Anfrage vorlegte.
Demnach waren 831 Beamte am 14. Februar im Einsatz, als die Gerichtsvollzieherin die fünfköpfige Familie in der Lausitzer Straße räumte – und Hunderte dagegen protestierten. Die Gülbols hatten 16 Jahre in der Wohnung gelebt, wurden aber wegen verspäteter Mietnachzahlungen gekündigt. Neben den Beamten wurde drei Stunden lang ein Hubschrauber eingesetzt. Mit 32 Kameras wurden 306 Minuten Material über die Proteste aufgezeichnet. Aufgrund von Übergriffen auf Beamte seien „körperliche Gewalt“, „Reizstoff sowie der Mehrzweckstock“ eingesetzt worden, heißt es in der Antwort von Innensenator Frank Henkel (CDU). 13 Beamte wurden verletzt, konnten aber im Dienst bleiben. 19 Protestierende wurden festgenommen. Hier fehlen Angaben zu Verletzten. Offen bleiben auch die Kosten für den Einsatz. Diese würden nicht gesondert erhoben, heißt es. Beziffert wird nur der Helikoptereinsatz: 4.368,77 Euro pro Stunde.
Auffällig ist die hohe Zahl von Zivilbeamten: 59. Für Piraten-Fraktionschef Christopher Lauer wirft das Fragen auf. „Ich weiß nicht, warum es für so einen Einsatz derart viele verdeckte Beamte braucht.“ Das fördere nicht das Vertrauen in die Polizei, so Lauer. Ein Polizeisprecher nannte die Zahl dagegen „nicht ungewöhnlich“. Die Zivilbeamten seien „zur Beobachtung“ eingesetzt worden. Lauer kündigte an, den Einsatz erneut im Innenausschuss anzusprechen. Dieser erscheine „doch arg unverhältnismäßig“.
Henkel stellte sich hinter die Polizei. Er verteidigte auch, dass die Gerichtsvollzieherin in Polizeikleidung zur Wohnung der Gülbols ging, um nicht von Demonstranten erkannt zu werden. Ein Amtsmissbrauch liege nicht vor, so der Senator, diesmal auf Grünen-Anfrage, weil die Frau nicht als „Polizistin gehandelt oder den Eindruck erweckt hat, diese Funktion für sich ernsthaft in Anspruch nehmen zu wollen“.
Blockade am Dienstag
Bereits für Dienstag ruft ein Bündnis erneut zur Blockade einer Zwangsräumung auf, diesmal in Reinickendorf. Hier soll eine schwerbehinderte 67-Jährige ihre Wohnung wegen Mietrückständen verlassen. KO
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
Wahlprogramm von CDU und CSU
Der Zeitgeist als Wählerklient
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“