piwik no script img

Politologin über Familienarbeitszeit„Die Idee ist ein wenig lebensfern“

Die Grünen wollen Eltern mit einem Kontomodell mehr Zeit mit ihren Kindern ermöglichen. Nichts für Geringverdiener, sagt Barbara König.

Mehr Zeit für viele grüne Mittelstandskinder. Foto: dpa
Simone Schmollack
Interview von Simone Schmollack

taz: Frau König, die Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt hat Arbeitszeitkonten für junge Leute vorgeschlagen: rechtzeitig mehr arbeiten und später die angesammelten Stunden abbummeln, um die Kinder zu betreuen. Klingt charmant.

Barbara König: Solche Langzeitarbeitskonten gibt es bereits. Manche Großunternehmen bieten ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern an, über Jahre hinweg mehr zu arbeiten, um später eine Auszeit nehmen zu können. Dieses Modell ist nicht weit verbreitet, weil es Risiken birgt.

Welche?

Das Unternehmen könnte pleitegehen, dann ist das Arbeitszeitkonto futsch. Unklar ist auch, was passiert, wenn man den Betrieb wechselt, und der neue hat gar kein Zeitkonto.

Diese Risiken birgt auch das grüne Modell?

Ja. Unabhängig davon tragen die Beschäftigten die Kosten für die Auszeit selbst.

Bild: Zukunftsforum Familie
Im Interview: Barbara König

45, ist Politologin und Geschäftsführerin des Zukunftsforums Familie in Berlin, eines im Jahr 2002 auf Initiative der Arbeiterwohlfahrt gegründeten Lobbyverbands.

Das können sich also nur Gutverdienende leisten?

Die wenigen Beschäftigten, die die Konten bislang nutzen, sind hauptsächlich besserverdienende Männer. Möglicherweise haben die Grünen sie als Zielgruppe im Blick. Es sollte aber darum gehen, dass alle Eltern von Zeitmodellen profitieren, also auch Geringverdienende.

Die Grünen debattieren noch weitere Modelle: zum Beispiel wie man Vollzeitjobs flexibler gestalten kann, ein Bafög für Weiterbildungsphasen und ein Pflegezeitmodul.

Das ist richtig, denn die Idee des Arbeitszeitkontos ist ein wenig lebensfern. Die Umsetzung dürfte schon an ganz praktischen Fragen scheitern: Wann sollen die jungen Menschen die Zeit denn ansparen? Wenn sie in den Beruf einsteigen und ohnehin schon viel arbeiten, zeitgleich aber auf Partnersuche sind oder eine Familie gründen wollen?

Grüne Zeitpolitik

Was? Das Ziel ist eine neue Balance zwischen den Anforderungen der Firmen und den Wünschen der Berufstätigen. Es gebe „im Leben der meisten Erwerbstätigen Phasen, in denen es schlicht notwendig ist, die Arbeitszeit zu reduzieren“ – um Kinder oder pflegebedürftige Eltern zu versorgen.

Wie? Angestellte sollen nicht nur mitentscheiden dürfen, wie viel sie pro Woche arbeiten, sondern auch, wann und wo. Nicht nur Eltern oder Menschen mit pflegebedürftigen Angehörigen sollen zurückschalten können – sondern alle, die mal „eine Auszeit zum Auftanken“ brauchen. Die Grünen wollen auch Selbstständigen entlasten und besser absichern.

Aber? Konkrete Gegenvorschläge zu Familienministerin Manuela Schwesigs 32-Stunden-Vorstoß bieten die Grünen nicht. Sie wollen eigene Konzepte zum Parteitag im November vorlegen. (agx)

Katrin Göring-Eckardt hat vorgeschlagen, dass sich der Staat finanziell beteiligen soll.

Das wiederum ist eine wichtige und richtige Forderung. Trotzdem sollte man genau überlegen, welche Arbeitszeitreduzierungen wirklich sinnvoll sind und wie diese von der Gesellschaft getragen werden könnten. Sollten in erster Linie Kindererziehungszeiten gefördert werden? Oder eher Pflegephasen? Oder doch lieber die Weiterbildung? Darüber brauchen wir eine Debatte.

Sie haben jeden Tag mit Familien zu tun. Welche Modelle präferieren sie?

Eltern wünschen sich vor allem Modelle, die partnerschaftlich orientiert sind, also bei denen beide Elternteile gleichermaßen arbeiten und die Kinder betreuen.

Wie die 32-Stunden-Woche für Eltern, die Familienministerin Schwesig favorisiert?

Das wäre eine gute Möglichkeit.

Manuela Schwesig hat vorgeschlagen, Vätern, die ihre Arbeitszeit reduzieren, einen Verdienstausfall zu zahlen. Warum muss man Männer eigentlich immer mit Geld locken?

Offensichtlich denken Männer hauptsächlich ökonomisch. Das kann man gut am Elterngeld beobachten. Als es das noch nicht gab, haben 4 Prozent der Männer Elternzeit genommen. Jetzt sind es ungefähr 30 Prozent. Unabhängig davon steigt ja, wenn Vater und Mutter arbeiten, das Familieneinkommen. Und davon haben beide etwas.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • Bitte sagt mir, dass das Bild der geschlechtergetrennten Schlandkinder nur ein Symbolbild ist und nicht wirklich eine Grünenveranstaltung zeigt!

  • Männer arbeiten für Geld. Sie suchen sich nicht den schönsten, sinnvollsten oder praktischten Job aus, sondern den Job mit dem sie am meisten Geld verdienen können. Geht es um Unterhalt, achten die Gerichte da sehr genau drauf und Väter, die dann ihre Arbeitszeit reduzieren um bei ihren Kindern sein zu können, werden von den Gerichten dafür abgestraft.

    Frauen achten dagegen häufiger auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, auf eine ausgewogene Work Life Balance und darauf, dass sie sich mit dem identifizieren können, was sie arbeiten. Sie leisten sich diese luxeriöse Einstellung - beklagen sich aber dann, wenn sie nicht genau so viel verdienen.

    Um dies zu ändern müssen wir Männer aus der Pflicht nehmen, immer nur Geld zu verdienen. Ihnen Geld dafür zu geben bei den Kindern zu bleiben, ist ein wichtiger Schritt. Das Unterhaltsrecht zu ändern, wäre ein weiterer wichtiger Meilenstein.

    So sollte z.B. der Unterhalt für Kinder sich an der Betreuungszeit orientieren. Aktuell zahlen Väter selbst dann den vollen Unterhalt, wenn sie 49% der Betreuung übernehmen. Gleichzeitig werden die Aufwendungen die sie für die Kinder tätigen in keiner Weise angerechnet.

    Beispiel: Vater arbeitete volltags und verdiente 4000 €, Mutter arbeitet halbtags und verdient 2000 €.

    Nach der Trennung möchte der Vater die Kinder möglichst viel sehen und reduziert daher sein Pensum auf 75% und verdient daher nur noch 3000 €. Das Gericht interessiert das nicht und verpflichtet den Vater weiterhin auf der Basis von 4000 € Unterhalt zu zahlen - das sind dann etwa 1400 €.

    Im Ergebnis haben danach beide Elternteile etwa gleiche Ausgaben für die Kinder. Der Vater arbeitet jedoch 75% und behält jedoch lediglich 1600 €. Die Mutter arbeitet weiter 50% und hat Dank Unterhalt 3400 €. Solange Väter, die Verantwortung übernehmen, so sehr abgestraft werden, erübrigt sich jede weitere Diskussion.

  • Beeindruckend dieser Mangel an Logik. Zuerst regt sich die Expertin über dir Grünen auf, und wirft ihnen vor, zu ignorieren, daß Wenigverdiener sich keinen Verdienstausfall leisten können. Dann, zum Schluß des Interview attackiert sie die Männer, weil diese immer nur ökonomisch denken würden, und nicht bereit seien einen Verdienstausfall bei Arbeitszeitreduzierung in Kauf zu nehmen.

    Ja, was denn nun? Ist eine Arbeitszeitreduzierung ohne Verdienstausgleich nun zumutbar oder nicht ?