Politisches Theater im Osten: Im Tendenzbetrieb
Die Neue Bühne Senftenberg positioniert sich gegen Rechtsextremismus. Und das Publikum? Schwankt zwischen irritiertem Schweigen und Szenenapplaus.
H och oben unter dem weißen Zeltdach, auf der Zuschauertribüne, steht auf einmal eine Frau auf. „Ich muss jetzt mal ein Statement machen“, kündigt sie an, dann steigt sie die Mitteltreppe des Amphitheaters hinab. Hunderte Köpfe drehen sich weg von der Bühne und folgen ihren Schritten. Unten angekommen, nestelt die Zuschauerin ein Stück Stoff hervor, faltet es auseinander – eine Regenbogenflagge. „Die werdet ihr noch brauchen“, prophezeit sie dem Dutzend langhaarigen Hippies auf der Bühne und drückt sie einem von ihnen in die Hand, dann tritt sie ab. Die Stille auf den Rängen ist dröhnend laut. Es ist eine irritierte Stille.
Gut 500 Leute sind an diesem sommerwarmen Samstagabend ins Amphitheater am Senftenberger See gekommen. Hinter dem künstlichen See, ein Überbleibsel des Bergbaus hier im äußersten Süden Brandenburgs, geht die Sonne unter. Ein paar Kilometer weiter liegt die Landesgrenze zu Sachsen. Die Neue Bühne Senftenberg spielt an diesem Abend das Musical Hair. Ein Klassiker mit Welthits – aber auch mit Themen, die sich fast 60 Jahre nach der Uraufführung beunruhigend zeitgemäß anfühlen: Krieg, Wehrpflicht, autoritäre gesellschaftspolitische Tendenzen. Die Reihen im Publikum sind fast bis auf den letzten Platz besetzt; man spendiert nach jedem Auftritt großzügig Szenenapplaus, bei den Gassenhauern wird mitgeschunkelt. Nach der Szene mit der Flagge bleibt der Applaus aus.
Einige Tage später sitzt Christina Dom, die Frau mit der Regenbogenfahne, unter eine Platane im Theaterhof, raucht eine Selbstgedrehte und freut sich über die gelungene Irritation des Publikums. Die vermeintliche Zuschauerin Dom ist in Wahrheit eine Schauspielerin, die Szene war geplant. Dom sagt, ihr sei sofort aufgefallen, dass das Publikum in dem Moment verstummt sei: „Da dachte ich: Die Leute reden dann später darüber.“ Ein Theater, findet Dom, müsse sich politisch positionieren: neben, aber auch auf der Bühne.
Vor zwei Jahren ist die Österreicherin Dom an die Neue Bühne Senftenberg gekommen, gleichzeitig mit Intendant Daniel Ris und dessen neuem Leitungsteam. Die Idee sei gemeinsam mit Daniel Ris entstanden, der bei dem Stück Regie geführt hat, erzählt Dom: „Queere Leute werden angefeindet und angegriffen, auch hier in der Region. Die Flagge als Symbol wird immer wieder zerstört. Deshalb fanden wir es wichtig, ein Zeichen zu setzen.“
Die Szene ist beispielhaft für den Spagat, den die Neue Bühne Senftenberg unter der Leitung von Ris versucht. Das Haus soll ein Theater für alle sein – und will sich deutlich gegen Rechtsextremismus positionieren, für Vielfalt eintreten. Dass das hier nicht allen passt, davon darf man ausgehen: Bei der Kommunalwahl am 9. Juni ist die AfD in Senftenberg mit Abstand stärkste Kraft geworden, 29 Prozent holten die Rechtsextremen hier. Auf Platz zwei landete die SPD mit knapp 19 Prozent. Im Landkreis Oberspreewald-Lausitz, in dem Senftenberg liegt, sehen die politischen Kräfteverhältnisse ähnlich aus. Die Neonazis von der Partei Die Heimat, der früheren NPD, verteidigten ihren Sitz im Kreisrat.
Kein leichtes Pflaster also für einen eher politischen Kulturbetrieb? Das Überraschende ist, wenn man sich in Senftenberg umhört: Eigentlich alle, die man hier auf das Theater anspricht, geraten ins Schwärmen. Eine Spaziergängerin am Seeufer sagt: „Was die bis heute für Arbeit machen, ist einfach nur toll.“ Sie erinnert sich an ihre Kindheit in der Bergbauregion: „Alles war damals so dreckig“, erzählt sie. „Aber wir hatten das Theater, und das hatte einen riesigen Stellenwert. Es sollte den Bergarbeitern ja die Kultur näherbringen.“ Sie habe hier echte Stars der DDR gesehen, wie etwa die Schauspielerin und Sängerin Annekathrin Bürger und den Schauspieler Armin Mueller-Stahl, der es bis nach Hollywood schaffte.
Es ist eine bemerkenswerte Geschichte, auf die die Neue Bühne zurückblickt. 1946, Deutschland liegt in Trümmern, Senftenberg ist sowjetisch besetzt. Der Kreiskommandant der Roten Armee, Iwan Demjanowitsch Soldatow, ist der Überzeugung: Kein gesellschaftlicher Neuanfang ohne Kultur. Und so entsteht in der Turnhalle einer Senftenberger Schule ein Stadttheater. Auch heute noch, einige Umbauten später, spielt und probt die Neue Bühne in dem Gebäude. Dass es das Theater immer noch hier gibt, in dem Städtchen mit gerade einmal 23.000 Einwohner*innen, ohne ICE-Anschluss, ohne Kino – das sei etwas Besonderes, sagen die Senftenberger*innen, und sprechen von ihrem „Theaterwunder“.
Rückblende, Anfang Februar, ein kalter, trüber Donnerstagnachmittag. Ris betritt ein kleines Podest auf dem Marktplatz in Senftenberg. Hier, im Herzen der schmuck renovierten Altstadt, haben sich etwa 300 Leute versammelt. Drei Wochen ist es her, dass die Correctiv-Recherche zur AfD und ihren Deportationsplänen von Migrant*innen die Republik aufgerüttelt hat. Jetzt gibt es auch in Senftenberg die erste Demo gegen die Rechtsextremen. Der Anmelder hat den Theaterintendanten gefragt, ob er eine Rede halten möchte. Ris möchte.
Er wolle als „Privatmensch, aber auch als Intendant der Neuen Bühne ein paar Sachen sagen“, stellt Ris zu Beginn klar. Dann berichtet er, wie er mit seinen Kolleg*innen am Theater in den vorangegangenen Wochen über den Rechtsruck und die Recherche diskutiert habe. Dabei sei man sich nicht immer einig gewesen. Doch für ihn stehe fest, ruft er: „Aus der schweigenden Mehrheit muss eine laute werden!“ Die Demo in Senftenberg schafft es sogar für acht Sekunden in die „Tagesschau“.
Ist das nicht gewagt, sich als Kulturstätte derart politisch zu positionieren, in einer Region, in der die AfD immer mehr Oberwasser kriegt? Anderswo ernten Theater für solche Aktionen Unverständnis, Ablehnung, Hass. Oder werden unter Druck gesetzt, politisch wie finanziell.
Daniel Ris, Intendant Neue Bühne Senftenberg
Zum Beispiel das Theater in Eisleben, Sachsen-Anhalt. Ende Januar demonstrierten Mitarbeiter*innen in Sangerhausen, eine halbe Autostunde von Eisleben entfernt, gegen Rechtsextremismus und die AfD. Wenig später verweigerte die AfD im Kreistag die Zustimmung zu einem Kredit, der dem Theater aus finanziellen Schwierigkeiten helfen sollte. Die Enthaltung blieb folgenlos, die anderen Parteien überstimmten die AfD. Dennoch bot sie eine Vorahnung auf das, was Kulturstätten droht, sollten die Rechtsextremen eines Tages in Kreistagen, Kommunalparlamenten und anderswo in der Mehrheit sein.
Zuletzt machte Ende Juni ein Jugendtheater aus dem sächsischen Stollberg Schlagzeilen. Ein Stück über die NS-Widerstandsgruppe „Weiße Rose“ rief nicht nur die AfD, sondern auch empörte Schüler*innen des Stollberger Gymnasiums auf den Plan. Laut dem Regisseur soll die Leiterin des staatlichen Eigenbetriebs versucht haben, in die Inszenierung einzugreifen, um weitere Anfeindungen zu vermeiden. Etwa habe die AfD nicht mehr explizit in dem Stück erwähnt werden dürfen. Die Theaterleiterin, Susanne Schmidt, bestritt die Vorwürfe.
Daniel Ris in Senftenberg kennt Fälle wie diese. Er weiß auch, dass Kolleg*innen in anderen Städten es vorziehen, sich – wenn überhaupt – nur durch die Stückauswahl politisch zu positionieren, aber keinesfalls lautstark in der Öffentlichkeit. Für Ris ist allerdings auch klar: „Wir laden erstmal alle ein, aber sagen auch deutlich, wofür wir stehen und wofür wir nicht stehen. Anders kann ich das nicht.“
Seit 2022 ist Ris Intendant in Senftenberg. Es ist das erste Mal, dass der gebürtige Leverkusener in Ostdeutschland tätig ist. Und er ist der erste Chef der Neuen Bühne, der nicht aus der DDR stammt. Am Anfang habe es in der Stadt hinter vorgehaltener Hand Gemurre über seine Berufung gegeben, erzählt Ris: „Haben wir keine eigenen guten Leute? Warum muss da jetzt so ein Wessi kommen?“ Doch er und seine Arbeit seien früh auf positive Resonanz gestoßen, da habe er sich schnell wohlgefühlt. „Die Stadt spiegelt mir, dass ich schon längst einer von ihnen bin“, sagt Ris.
Deshalb stellt er sich nicht nur auf den Marktplatz, um Flyer fürs Theater zu verteilen, sondern auch, um eine politische Rede zu halten. Gegenwind bekommen Intendant und Theater dafür bislang kaum. Auf Facebook gab es Geraune nach Ris' Auftritt auf der Demo: Ob er das überhaupt dürfe, sich in seiner Funktion als Intendant da auf die Bühne zu stellen. Ein davon wohl inspirierter AfD-Stadtverordneter fragte Ris dasselbe, als er kurze Zeit später im Stadtparlament von Senftenberg die Arbeit der Neuen Bühne vorstellte.
Was erwidert Ris auf solche Angriffe? Darf er das? „Klar darf ich das, das ist die Kunstfreiheit. Wenn diese Kräfte wirklich an die Macht kommen, können sie vielleicht dafür sorgen, dass mein Vertrag nicht verlängert wird. Aber solange ich den Job habe, darf ich das. Ich könnte theoretisch auch ‚FCK NZS‘ an das Theater malen, wenn ich das will. Will ich aber nicht.“
Die besondere Stellung der Neuen Bühne in einer kleinen Stadt wie Senftenberg sei ihm natürlich bewusst. Deshalb lade er niemanden aus. So etwas wie der Friedrichstadt-Palast in Berlin, wo es vor einigen Jahren hieß, man wolle keine AfD-Wähler*innen im Publikum, so etwas mache er nicht, erklärt Ris. „Theater für alle“ bedeute aber nicht, dass für jede Meinung und jede Vorliebe etwas dabei sei. „Es gibt für mich Grenzen. Ich werde zum Beispiel kein Stück mit einem völkischen Kulturbegriff auf die Bühne bringen. So ein Programm mache ich nicht. Aber zu unserem Programm sind alle eingeladen.“ Auch wer AfD gewählt habe, könne sich ein Ticket etwa für Hair kaufen und davon berührt sein.
Die Bilanz spricht für ihn und die Arbeit seines Leitungsteams, dem noch die Chefdramaturgin Karoline Felsmann sowie die Hausregisseurin Elina Finkel angehören. „Die Hütte ist voll“, sagt Daniel Ris stolz. Tatsächlich: Im Jahr 2023 erreichte die neue Bühne 65.000 Zuschauer*innen und erzielte eine Auslastung von 82 Prozent – eine Quote, von der andere Theater nur träumen können.
Reiner Rademann, Vorsitzender des Fördervereins
Zuspruch kommt von einem, dessen Wort in Senftenberg Gewicht hat: Reiner Rademann. Der 75-Jährige mit dem markanten Kinnbart geht seit einem halben Jahrhundert regelmäßig in das Senftenberger Theater. Die letzten 30 Jahre war der SPD-Mann in der Kommunalpolitik aktiv. Und seit über zehn Jahren ist er der Vorsitzende des Theater-Fördervereins. Vor dem Eiscafé im Schatten des Rathauses am Senftenberger Marktplatz muss sich Rademann immer wieder unterbrechen, so oft wird er von Passant*innen gegrüßt. Verschmitzt winkt er zurück. Rademann, so viel ist klar, kennt in Senftenberg alles und jeden.
„Große Klasse“ sei es, dass Ris sich im Februar hingestellt und zu den Demonstrierenden gesprochen habe, sagt Reiner Rademann. Er selbst sei an dem Tag auch da gewesen, erzählt er, und deutet auf eine Ecke des Marktplatzes. Für Rademann steht fest: „Theater dient auch der politischen Willensbildung. Es gibt kein Theater, das nicht politisch ist.“
Wie so viele hier ist Rademann einst wegen der Arbeit nach Senftenberg gezogen. Der gelernte Chemiefacharbeiter stammt aus einem kleinen Dorf in Sachsen. Anfang der 1970er Jahre fängt er einen Job beim Volkseigenen Betrieb (VEB) Synthesewerk Schwarzheide an. Er ist Mitte 20 und bezieht eine Wohnung in einem der gefragten Plattenbauten in der Laugkstraße. In seinem Haus wohnen zwei Balletttänzerinnen des damaligen Ensembles. Das Theater ist gleich nebenan.
Am Rande der Stadt klafft ein riesiges Loch, der Tagebau Niemtsch. Im Lausitzer Revier gibt es überall etwas zu tun: Brikettfabriken, Kraftwerke, Chemieanlagen. Senftenberg wächst, die Bergleute taufen ihre Bühne „Kumpeltheater“. Offiziell heißt es „Theater der Bergarbeiter“. Es ist ein Dreispartenhaus mit Schauspiel, Musik und Tanz.
Rademann heiratet, kriegt Kinder. Das Loch am Stadtrand wird geflutet, der Chemiearbeiter steigt im Synthesewerk auf zum Schichtleiter, zum Abschnittsleiter – und geht immer wieder ins Theater. Besonders in Erinnerung bleibt ihm Goethes Faust. Aber dann kommt „das große Problem“, wie Rademann die Wendezeit nennt. Tausende Arbeitsplätze werden wegrationalisiert. Der westdeutsche Chemiekonzern BASF kauft den VEB Schwarzheide von der Treuhand. Die Region blutet aus, die Leute ziehen weg. Beim prächtigen Theater der Bergarbeiter stehen die Zeichen auf Abwicklung. Als erstes trifft es das Orchester.
„Es ging immer weiter bergab. Wir haben uns gefragt: Wie können wir das Theater in Senftenberg halten?“, erzählt Rademann. Ihn treibt es in die Kommunalpolitik. Er tritt der SPD bei und wird 1993 der erste Kreistagsvorsitzende im neu gebildeten Landkreis Oberspreewald-Lausitz. Gute Argumente für das große Theater in der kleinen Stadt sind in der Sparlogik der Nachwendezeit schwer zu finden.
Da hat der damalige Intendant Heinz Klevenow die zündende Idee. Weit und breit gibt es kein Kinder- und Jugendtheater. Und so beschränkt sich das Haus zunächst allein auf diesen Bereich. „Eine Strategie auf Messers Schneide“, sagt Rademann heute dazu. Aber eine mit Erfolg: Denn das einzige Jugendtheater zu schließen ist politisch nicht durchsetzbar. Senftenberg erlebt sein „Theaterwunder“. Das Haus bleibt und bewahrt seine Autonomie. 1993 startet der Betrieb als reines Schauspielhaus unter dem heutigen Namen Neue Bühne. 2017 wird die Neue Bühne Brandenburger Landestheater. Da wird Rademann klar: „Jetzt ist es geschafft.“ Der Mauerfall ist da schon 28 Jahre her.
Bis heute legt die Neue Bühne viel Wert auf die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen. Wie weit das Einzugsgebiet reicht, zeigt sich an einem nebligen Morgen auf dem Strandparkplatz von Großkoschen, einem Ortsteil von Senftenberg. Ein Reisebus nach dem anderen fährt vor und spuckt eine lärmende Schulklasse aus. Von hier sind es noch ein paar Minuten zu Fuß die Uferpromenade am See entlang bis zum Amphitheater. Die Kinder kommen aus der ganzen Region: Lauchhammer, Großräschen, Senftenberg.
Mittendrin ist auch eine Grundschulklasse aus Finsterwalde. Eine Dreiviertelstunde sind sie mit dem Charterbus gefahren, um sich das Märchenstück „Der gestiefelte Kater“ anzuschauen. Das Amphitheater ist voll, der Trubel groß, hunderte Kinder rutschen auf den Sitzbänken herum.
Der Grimm-Klassiker vom Müllerssohn, der nichts erbt außer einem sprechenden Kater, wird mit viel Klamauk und Musik auf die Bühne gebracht. Was sofort auffällt, ist die Rolle der emanzipierten Prinzessin. Sie hat offensichtlich einen gewissen Fitnesswahn entwickelt, geht gerne wandern und schwimmen, begehrt auf gegen Klischees und Hierarchien. Die Schüler*innen aus Finsterwalde sind hingerissen. „Toll“ sei es gewesen, sagt einer von ihnen noch ganz beseelt. „Vor allem die Musik“. Auch im Winter war die Klasse in einem Märchenstück: „Die Kleine Hexe“ von Otfried Preußler. Wie das war? „Auch toll.“
Die Kinder kommen nicht nur in die Vorstellungen, sie spielen auch selbst Theater. Dafür gibt es zwei Spielklubs am Haus in Senftenberg: einen für die Jüngeren, einen für Jugendliche und junge Erwachsene. Außerdem veranstaltet das Theater Workshops und spielt auch an Schulen, nach jeder Vorstellung findet ein Nachgespräch statt. In der kommenden Spielzeit tourt die Neue Bühne mit einer Inszenierung des Tagebuchs der Anne Frank durch die Klassenzimmer der Region.
Christina Dom befürchtet, dass das nicht einfach wird. Der Fall aus dem sächsischen Stollberg ist zum Zeitpunkt des Treffens mit der taz noch nicht bekannt, aber auch so erinnert die Schauspielerin daran, dass es immer wieder zu rechtsextremen Vorfällen an Schulen komme: Schmierereien, Sprüche, Hitlergrüße. Damit ihre Kolleg*innen nicht völlig unvorbereitet sind, falls so etwas während eines Auftritts passiert, erarbeitet Dom gemeinsam mit Mitstreiter*innen einen Leitfaden für solche Situationen. Was genau drinstehen soll, wird noch ausgehandelt. Klar ist: Hass und Hetze werden nicht geduldet.
Der Leitfaden ist Teil einer „Dienstvereinbarung zur Förderung von Diversität und Gleichstellung“ am Theater. Dabei geht es auch darum, die Belegschaft für Rassismus, Sexismus und andere Diskriminierungsformen zu sensibilisieren. Mit diesem Prozess seien nicht immer alle einverstanden gewesen, berichtet Dom: „Das hat erst einmal zu Polarisierung geführt.“ Das ist für sie aber nicht unbedingt etwas Schlechtes: „Die Dinge kommen auf den Tisch, es wird gesprochen, ausgehandelt.“
Viele Mitarbeiter*innen aber stehen hinter dem progressiven Kurs der Leitung. Vergangenen Spätsommer hat sich sogar eine Gruppe „Politisches Handeln“ am Theater gebildet, die sich alle paar Wochen trifft. Es gebe keine festen Mitglieder, meistens seien ungefähr zehn Leute dabei, erzählt Dom. Im Moment sammele man Ideen für politische Aktionen, aber das sei gar nicht so einfach: „Eigentlich bräuchten wir eine eigene Dramaturgie allein für dieses Thema.“ Für die Landtagswahl im September plane die Gruppe zunächst einmal Wahlaufrufe, wie genau die aussehen sollen, ist noch nicht klar. Aber charmant und humorvoll sollen sie sein, soviel kann Dom schon mal sagen.
Sie bereue jedenfalls nicht, Ris in die Niederlausitz gefolgt zu sein, sagt Christina Dom: „Ich habe das Gefühl, das hat richtig Sinn.“ Dass das Theater in dem kleinen Senftenberg die Wendewirren überstanden habe, sei ein großes Erbe. „Wir wollen auch die Leistung der Leute würdigen, die das erreicht haben“, sagt Dom.
Im Theaterhof lässt ein Kleintransporter den Motor an. Christina Dom muss los, die nächste Vorstellung von Hair steht bevor. Das Ensemble wird zum Amphitheater am gegenüberliegenden Seeufer gefahren. Die Kostüme, Masken, Perücken sind aufwendig und brauchen viel Vorbereitungszeit. Für Dom steht ein weiterer Auftritt als Zuschauerin an, ein weiteres Statement mit Regenbogenfahne. Sie freut sich schon auf die Reaktion des Publikums.
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