Politische Rhetorik: Es ist wieder Zeit zum Erneuern
2017 wollte Martin Schulz die SPD erneuern, jetzt ziehen seine Genossen nach. Und auch Friedrich Merz sieht die Lösung für die CDU in der Erneuerung.
Politische Rhetorik ist schwierig. Sie muss verständlich sein, aber phrasenfrei, aussagekräftig ohne zu viel zu versprechen, klug sein und gern auch ein bisschen unterhaltsam.
Ralph Brinkhaus beispielsweise, neuer Fraktionsvorsitzender der CDU, bekommt gleich zu Beginn seiner Tätigkeit zu spüren, was dieses Amt von ihm verlangt, übt gerade noch. „Brückenbauer“ sagt er zur Zeit in jedes Journalistenmikrofon. Brückenbauer, Brückenbauer, Brückenbauer. Das müsse der oder die neue Parteivorsitzende der CDU nämlich sein. Nette Metapher, aber rhetorisch etwas überstrapaziert.
Ähnlich verhält es sich mit dem Wort Erneuerung. Betonung auf „neu“, sagt uns der Duden, Wortart: Substantiv, feminin; Synonyme: Reform, Umbruch, Verbesserung, Wechsel.
Ein alter neuer Hashtag
Gerade ist wieder Erneuerungszeit. Alle wollen sie, alle reden davon. Der SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil beispielsweise wirbt bei Twitter für seinen „Artikel zur Erneuerung der SPD“. Hashtag: #SPDerneuern. Ein Hashtag übrigens, der selbst nicht neu ist.
Martin Schulz verwendete ihn vor gut einem Jahr, nach der Niederlage bei der Bundestagswahl. „2017 muss symbolisch stehen als Wendepunkt, als Neuanfang für die SPD“, schrieb er damals unter #SPDerneuern. Es kamen: Nahles, GroKo, Bayernwahl, Hessenwahl. Und jetzt sollen eine „Person wie Bernie Sanders, nur 30 Jahre jünger“ (fordert Peer Steinbrück) und 12 Euro Mindestlohn (fordert Finanzminister Olaf Scholz), die Partei erneuern.
Auch Friedrich Merz, der Parteivorsitzender der CDU werden will, ist auf Erneuerungskurs.Seine Kandidatur um den Parteivorsitz erklärte er mit: „Wir brauchen in der Union Aufbruch und Erneuerung mit erfahrenen und mit jüngeren Führungspersönlichkeiten.“ Auf der Pressekonferenz am Mittwoch präzisierte er: „Wir brauchen Aufbruch und Erneuerung, aber wir brauchen keinen Umsturz.“
Unklar bleibt, warum die Erneuerung ausgerechnet von einem Mann vorangetrieben werden soll, der quasi direkt aus den 90ern ins Heute gesprungen kommt? Wahrscheinlich liegt es daran, dass Erneuerung in der politischen Rhetorik vieles bedeutet, nur eben nicht Erneuerung.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Sourani über das Recht der Palästinenser
„Die deutsche Position ist so hässlich und schockierend“
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“