Politische Krise in Malaysia: Am helllichten Tag entführt

Die Entführung von Pfarrern in Malaysia gibt Rätsel auf. Der Verdacht fällt auf Islamisten mit Regierungskontakten, aber das sagt niemand offen.

Eine Kirche vor der ein Polizeiauto steht

Polizei und Freiwillige schützen am 13. Januar nach Brandanschlägen eine Kirche außerhalb von Kuala Lumpur Foto: reuters

KUALA LUMPUR taz | Auf der Straße SS4B/10 in Petaling Jaya stoppen am 13. Februar um 10.30 Uhr drei Geländewagen den PKW des Methodistenpastors Raymond Koh. In weniger als einer Minute haben die Entführer ihn in seinem Wagen übernommen, wie zufällige Aufnahmen einer Überwachungskamera zeigen.

Die professionell ausgeführte Entführung in der Nachbarstadt von Kuala Lumpur ereignete sich am gleichen Tag wie auf Kuala Lumpurs Flughafen das Attentat auf Kim Jong Nam, den Halbbruder von Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un. Im Schatten dieses aufsehenerregenden Mordes wurde Kohs Entführung zunächst kaum beachtet.

Koh ist nicht besonders prominent. Das macht den Fall um so mysteriöser. Doch ist Koh seit 2011 im Visier islamischer Gruppen. Sie werfen ihm vor, über seine Stiftung Gemeinschaft der Hoffnung zur Hilfe für Drogenabhängige und alleinstehende Mütter Muslime zum Christentum zu bekehren. Deshalb lautet der am häufigsten gehörte Verdacht: Dahinter könnten islamische Gruppen mit guten Regierungskontakten stecken.

Aber das spricht niemand offen aus. Auch nicht Zaid Ibrahim und Ambiga Sreenevasan in ihren Reden zum „Tag der Harmonie“ am Palmsonntag, organisiert von Malaysias Kirchen. Die beiden prominenten Bürgerrechtler und Regierungskritiker wissen nur zu gut, dass Polizeispitzel im Saal sind. Mindestens ebenso mysteriös wie die Entführung von Koh sind die Fälle des Pastorenehepaares Joshua und Ruth Hilmy sowie des Bürgerrechtlers Amri Che Mat, von denen seit November 2016 jede Spur fehlt.

Eine Warnung sich still zu verhalten?

„Wer sind diese Entführten? Etwa Terroristen? Nein, sie arbeiten an der Basis, sie setzen sich für die Marginalisierten ein, um die sich sonst niemand kümmert“, sagt Ambiga. „Warum also sind sie verschwunden?“ Vielleicht, spekuliert die Menschenrechtsanwältin, sei es ja als Warnung an alle Malaysier gedacht, einfach die Klappe zu halten. „Wenn das diesen Leuten passiert, kann das jedem von uns passieren.“

Das mehrheitlich islamische Malaysia steckt in der tiefsten politischen Krise seit der Unabhängigkeit 1957. Bei der letzten Wahl schrammte die seit 60 Jahren amtierende Regierungskoalition nur knapp am Machtverlust vorbei. Eine drohende Niederlage bei der nächsten Wahl, die spätestens im Frühjahr 2018 stattfinden muss, vor Augen, setzt Premierminister Najib Razak auf den Islam als politische Waffe. Er hetzt gegen Christen und die chinesische Minderheit, warnt vor „Liberalismus“ als größte Gefahr für Malaysia neben dem Terrorismus und zerrt Kritiker vor Gericht.

ExJustizminister Zaid Ibrahim

„Malaysias Taliban-Führer tragen Brioni-Anzüge“

Zaid Ibrahim, Exjustizminister und heute ein scharfer Regimekritiker, sagt: „Malaysia ist zu einem Taliban-Land geworden mit dem Unterschied, dass bei uns die Führer Brioni-Anzüge und Designeruhren tragen. Susanna Liew, Ehefrau von Pastor Koh, hat das andere Malaysia im Blick, wenn sie sich für den Trost bedankt, den ihr „so viele Malaysier aller Rassen und Religionen“ gespendet haben: „Diese wunderschöne Nation und die Stärke, die aus unserer Vielfalt kommt, geben mir Kraft.“

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.