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Politische Krise in FrankreichRegierung zurückgetreten

Wirtschaftsminister Montebourg kritisierte die Regierung für die Unterstützung des deutschen Spardiktats. Premier Valls reicht daraufhin den Rücktritt seines Kabinetts ein.

Hat sich nach Meinung des Premiers zu weit aus dem Fenster gelehnt: Wirtschaftsminister Arnaud Montebourg. Bild: reuters

PARIS afp | Im Streit um den Sparkurs von Frankreichs Staatschef François Hollande ist das Land in eine schwere Regierungskrise geschlittert. Nach Kritik von Wirtschaftsminister Arnaud Montebourg an Hollandes Politik und an Deutschland reichte Premierminister Manuel Valls den Rücktritt seiner Regierung ein, wie der Elysée-Palast am Montag mitteilte. Hollande beauftragte Valls damit, ein neues Kabinett zu bilden, das am Dienstag vorgestellt werden soll.

„Manuel Valls hat beim Präsidenten den Rücktritt seiner Regierung eingereicht“, hieß es in einer kurzen Stellungnahme des Elysée-Palasts. „Der Staatschef hat ihn gebeten, eine Mannschaft zu bilden, die in Übereinstimmung steht mit den Zielsetzungen, die er selbst für unser Land festgelegt hat.“ Es ist die zweite Regierungsumbildung in Frankreich binnen fünf Monaten.

Der dem linken Lager der Sozialisten angehörende Montebourg hatte am Wochenende eine Abkehr von der Sparpolitik in Frankreich und Europa gefordert - und harte Kritik an Deutschland geübt. „Wir müssen einen anderen Ton anschlagen. Deutschland ist gefangen in einer Sparpolitik, die es ganz Europa aufgezwungen hat“, sagte der Wirtschaftsminister der Zeitung Le Monde. Er stellte dabei klar, mit Deutschland meine er die deutschen Konservativen um Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).

Montebourg verlangte in dem Interview, die Bekämpfung der Wirtschaftskrise müsse Vorrang vor der Haushaltssanierung haben. „Die dogmatische Reduzierung der Defizite, die uns zu einer harten Sparpolitik und zu Arbeitslosigkeit führt, muss zweitrangig sein.“

Montebourg rechnet mit Verbleib in Regierung

Montebourg sprach damit aus, was im Lager der regierenden Sozialisten viele denken - Hollandes Sparkurs hatte angesichts der anhaltenden Wirtschaftskrise und der Rekordarbeitslosigkeit im Land immer wieder zu Unmut bei zahlreichen Abgeordneten geführt. Hollande hält an dem Sparkurs fest, will sich aber auf europäischer Ebene für eine stärkere Wiederankurbelung der Wirtschaft einsetzen und pocht auf Flexibilität bei der Reduzierung der Defizite.

Aus dem Umfeld von Premierminister Valls verlautete noch am Wochenende, Montebourg habe mit seinen Äußerungen „eine gelbe Linie überschritten“. „Ein Wirtschaftsminister kann sich nicht so über die wirtschaftspolitische Linie der Regierung und über einen europäischen Partner wie Deutschland äußern“, hieß es. Valls sei „entschlossen zu handeln“.

Montebourg selbst betonte am Montag vor Bekanntgabe der Regierungsumbildung, er habe nicht gegen die „Regierungssolidarität“ verstoßen. Er rechne damit, weiter in der Regierung zu bleiben. Dass Montebourg der neuen Regierung angehören wird, gilt aber als nahezu ausgeschlossen.

Montebourg hatte seit Hollandes Amtsantritt im Mai 2012 immer wieder mit der offiziellen Regierungslinie angeeckt. Als Hollande nach den für die Sozialisten verheerenden Gemeindewahlen Ende März die Regierung umbildete und den damaligen Premierminister Jean-Marc Ayrault durch Manuel Valls ersetzte, wurde der bisherige Industrieminister Montebourg aber zum Wirtschaftsminister befördert. Montebourg genießt im linken Lager der Sozialisten große Sympathien.

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4 Kommentare

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  • Da übt ein Politiker öffentlich Kritik und hinterher stellt sich heraus, dass er gar nicht den Mund aufmachen durfte. Das ist mal ein völlig absurdes Verständnis von Demokratie und Meinungsfreiheit.

  • Ich hoffe das beste für Frankreich.

     

    Im Hintergrund droht immer noch die Front National.

  • "Alternativen zu einer „destruktiven Ideologie“ anbieten"

     

    Die Alternative sollte Francois Hollande sein. Bislang hat er keine echten und praktikabelen Ideen vorgelegt, wie es anders gehen könnte. Das bedeutet, dass das Wachstum schwach bleiben wird und die Arbeitslosigkeit ansteigen muss. Sein Premierminister steht genau für diese Nicht-Passiert-Politik und wird sich ein neues Kabinett mit neuen Leuten bilden, die für diese Richtung stehen.

    • @Andreas_2020:

      Warum? Frankreich hat doch aus Sicht der Linken alles richtig gemacht:

       

      Hoher Mindestlohn von fast 10 EUR, 75% Spitzensteuersatz, Zeitarbeiter müssen 10% mehr verdienen als der Festangestellte, stark regulierter Kündigungsschutz, gesetzliche 35 Std. Woche, riesiger öffentlicher Dienst, wichtige Konzerne in Staatseigentum, usw.

       

      Nach linker Theorie müsste in Frankreich die Post abgehen und boomen, was das Zeug hält. Da lediglich die Haushaltsdefizite und die Arbeitslosigkeit explodieren, MUSS jemand anderes dafür Schuld sein --> Deutschland, wer sonst.