Frankreichs neuer Wirtschaftsminister: Ein Hegelianer in Paris
Emmanuel Macron ist erst 36. Er soll für Dynamik in der neuen französischen Regierung stehen – und für den neuen sozialliberalen Kurs.
PARIS taz | Er ist erst 36 – und verkörpert damit das jung-dynamische Bild, das die umgebildete Regierung in Paris nach außen ausstrahlen soll. Frankreichs frisch ernannter Wirtschaftsminister Emmanuel Macron wird gern von den Medien als der „Anti-Montebourg“ porträtiert, weil er im Gegensatz zu seinem Vorgänger jene Linie in der Wirtschaftspolitik repräsentiert, die Arnaud Montebourg als Grund allen Übels in Frankreich und Europa verdammte. Dies musste logischerweise am Montag zu seinem Rausschmiss aus der Regierung führen.
Macron ist Mitglied des Parti Socialiste und vertritt dort auf dem ursprünglich sehr kleinen rechten Flügel die These, dass prioritär die Finanzen durch den Abbau des Haushaltsdefizits und die Senkung öffentlicher Ausgaben ins Gleichgewicht gebracht werden müssen, um Frankreichs Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern.
Nicht nur in seiner Partei, sondern auch darüber hinaus galt dies lange als verpönte „sozialliberale“ Doktrin. Heute aber ist das der offizielle Kurs des zweiten Kabinetts, das unter Leitung von Premierminister Manuel Valls am Mittwoch zum ersten Mal zusammentrat. Valls hat als Ersatz für den Querulanten Montebourg einen Parteikollegen auf den Posten geholt, der ihm politisch näher steht.
Macron ist vielseitig und hat es auf seiner Laufbahn eilig. Nach seinem Studium der Philosophie und Sozialwissenschaften war er mit nur 22 Jahren als Hegel-Spezialist bereits Assistent des Philosophen Paul Ricoeur. Nach dem Diplom in Politischen Wissenschaften absolvierte er die Eliteschule ENA, eine Verwaltungshochschule, aus der viele Spitzenpolitiker hervorgehen. ENA-Abgänger haben quasi automatisch einen Platz als Spitzenbeamte auf Lebenszeit.
Doch Macron ging lieber zur privaten Bank Rothschild. Präsident François Hollande holte ihn sich nach seiner Wahl 2012 als Berater und Spindoctor in den Élysée-Palast, wo er sich nicht nur Freunde machte. Im Juni ging Macron ins Bankgeschäft zurück, doch die vermeintliche Ungnade beim Staatschef dauerte nur kurz.
Jetzt hat der junge Bankier und Philosoph exakt das notwendige Profil für einen Posten als Sparapostel der Regierung: Den Schuldenabbau kann er Hegel zitierend als „Einsicht in die Notwendigkeit“ verkaufen. Was dem Präsidenten wichtig ist, wurde nach der Kabinettssitzung bekannt: „Es wird nicht alleine gespielt“, sagte Hollande. Macron parierte sogleich: Er werde mit Finanzminister Michel Saspin stets „mit einer Stimme“ sprechen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Paragraf 218 im Rechtsausschuss
CDU gegen Selbstbestimmung von Frauen
Partei stellt Wahlprogramm vor
Linke will Lebenshaltungskosten für viele senken
FDP stellt Wahlkampf Kampagne vor
Lindner ist das Gesicht des fulminanten Scheiterns
Wahlkampf-Kampagne der FDP
Liberale sind nicht zu bremsen
Sednaya Gefängnis in Syrien
Sednaya, Syriens schlimmste Folterstätte
Syrische Geflüchtete in Deutschland
Asylrecht und Ordnungsrufe