Politische Bildung in der Schule: „Eine klare Haltung vorleben“

Das Zentrum für Demokratie will Lehrer für das Thema Rechtsruck schulen. Der Beratungsbedarf sei hoch – auch wegen der AfD, sagt Projektkoordinator Samuel Signer.

Diskussion statt Denunziation: So sollte es sein zwischen SchülerInnen und Lehrkräften Foto: picture alliance/Daniel Karmann/dpa

taz: Herr Signer, das Zentrum für Demokratie in Schöneweide bietet bald für LehrerInnen die Fortbildung „Schulischer Bildungsauftrag in Zeiten des Rechtsrucks“ an. Warum ist so ein Seminar nötig?

Samuel Signer: Wir haben LehrerInnen in Treptow-Köpenick gefragt, wo sie sich unsicher fühlen, was sie beschäftigt. Und fast alle haben gesagt: Uns beschäftigt das Thema politische Neutralität in der Schule.

Das hat ja vor allem die AfD groß gemacht: In mehreren Bundesländern, auch in Berlin, versucht die Partei gerade Onlineportale zu etablieren, wo SchülerInnen und Eltern AfD-kritische LehrerInnen „anzeigen“ können.

Das, was die AfD macht, ist bis jetzt juristisch ungeklärt. Es geht uns auch nicht um eine juristische Beratung – es geht uns darum, zu vermitteln, wie man als Lehrer politisch Haltung einnimmt und vermittelt. Denn gerade bei dieser AfD-Plattform geht es um ein Gefühl, das da aufkommen soll: Wir beobachten euch, also passt auf, was ihr sagt.

Mit dem Projekt „Antirassistische Bildung an Schulen“, kurz aras*, sind Sie viel in Schulen unterwegs, machen Workshops und Vernetzungsarbeit. Sie sagen, LehrerInnen, die sich gegen rechts engagieren, stünden „häufig im Fokus (ex­trem) rechter Bewegungen“. Was heißt das konkret?

Generell stehen Aktive, die sich gegen rechts engagieren, im Fokus. Dazu gehören dann zum Teil auch LehrerInnen und SchülerInnen. In Treptow-Köpenick war bis ungefähr 2013/2014 der Nationale Widerstand aktiv und hat Feindeslisten von seinen Gegnern erstellt, um diese einzuschüchtern und anzugreifen. Auf diesen Feindeslisten konnten alle möglichen Menschen landen, eben auch LehrerInnen.

Samuel Signer hat Soziale Arbeit an der Alice-Salomon-­Hochschule studiert und koordiniert das Projekt „aras* – Antirassistische Bildung an Schulen“ des Zentrums für Demokratie in Treptow-Köpenick.

Das ist jetzt kein Problem mehr?

Samuel Signer

„Das Gefühl, das die Rechten erzeugen wollen: „Wir beobachten euch!“ Genau damit spielt jetzt auch die AfD.“

Das ist in dieser Qualität inzwischen nicht mehr so, es werden derzeit in Treptow-Köpenick auch keine Briefkästen mehr gesprengt oder Radkappen an Autos gelockert. Aber das schon erwähnte Gefühl, dass die Rechten erzeugen wollen, „Wir beobachten euch!“, genau damit spielt jetzt auch die AfD.

Wie wollen Sie die LehrerInnen stärken, die sich gegen rechte Stimmungsmache engagieren?

Ein wichtiges Thema in unseren Fortbildungen sind Argumentationstrainings. Wenn sich zum Beispiel ein Schüler im Unterricht abfällig über Juden äußert, wie reagiere ich da?

Und, wie reagiert man da am besten?

Es gibt kein Patentrezept, aber überhaupt zu reagieren ist schon mal gut. Wenn ich mir unsicher bin, kann ich zum Beispiel zurückfragen: Habe ich dich gerade richtig verstanden? Erklär mir doch noch mal, wie du das eigentlich genau meinst. Damit signalisiere ich: Ich nehme nicht einfach hin, was du da sagst. Aber ich gehe auch noch nicht gleich total auf Konfrontationskurs.

Die Fortbildung Am 26. November bietet das Projekt „aras* – Antirassistische Bildung an Schulen“ beim Zentrum für Demokratie Treptow-Köpenick gemeinsam mit der Lehrergewerkschaft GEW eine Fortbildung für Lehrkräfte an, die sich gegen rechts engagieren wollen. Anmeldungen direkt über die Homepage der GEW Berlin.

Die Beratung Wer sich als LehrerIn von rechts bedroht oder eingeschüchtert fühlt, kann sich ebenfalls an *aras wenden. Oder, auch für NichtlehrerInnen: an die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus, mbr-berlin.de (akl)

Wie können LehrerInnen ihre SchülerInnen stark machen gegen rechts?

Sie können eine klare Haltung vorleben, wenn jemand diskriminiert wird. Das ist übrigens auch eine Frage, die wir immer wieder von SchülerInnen in Workshops hören: Wie beziehe ich Position, wie argumentiere ich gegen Stammtischparolen von rechts? Und am besten erleben SchülerInnen selbst, was Demokratie bedeutet. Es gibt ja durchaus viele Mitbestimmungsmöglichkeiten in der Schule, zum Beispiel das Schülerparlament. Diese Strukturen können Lehrer stark machen.

Viele LehrerInnen sagen: Dafür fehlt uns die Zeit. Oder sie fühlen sich durch die Schulleitung nicht unterstützt.

Natürlich sagen uns die LehrerInnen öfter mal, dass es gut wäre, Stunden für solche Extraarbeit zu haben. Aber bei den Schulleitungen, wir arbeiten mit zehn Schulen im Bezirk zusammen, ist absolut ein Bewusstsein für diese Thematik da. Übrigens glaube ich ja, noch mal zurück zur AfD-Plattform, dass die Partei damit eher das Gegenteil von dem bewirkt, was sie sich vorstellt.

Inwiefern?

Das hat viele LehrerInnen überhaupt erst politisiert – in dem Sinne, dass sie wissen wollen, wie man sich wehren kann, zum Beispiel. Ich habe in der Weiterbildungsarbeit die Erfahrung gemacht: Man schreibt Lehrern nicht vor, wie sie ihren Job zu machen haben. Das macht die AfD aber, und das kommt nicht gut an.

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