Politikerbesuche in den Flutgebieten: In großen Stiefeln
Bundeskanzlerin Merkel besucht Dienstag die überfluteten Städte. Schuld am Hochwasser hat der Dauerregen, aber der Mensch hilft ganz kräftig mit.
BERLIN taz | Die Fluten im Osten und Süden Deutschlands wirbeln auch die Berliner Politik durcheinander: Kanzlerin Angela Merkel (CDU) will Dienstag in die Hochwassergebiete reisen. Die Kanzlerin wolle sich selbst ein Bild von der Lage machen, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Mit Wahlkampf habe dies aber nichts zu tun.
Im Jahr 2002 hatte sich der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) beim verheerenden Elbe-Hochwasser als zupackender Krisenmanager inszeniert – und überraschenderweise die Bundestagswahl gewonnen.
Bereits am Montag war Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) nach Sachsen aufgebrochen, um sich zu informieren. Laut Innenministerium sind in den Hochwassergebieten 1.800 Helfer des Technischen Hilfswerks im Einsatz, außerdem 500 Bundespolizisten und mehr als 1.700 Soldaten.
Das dramatische Sommerhochwasser hat weite Teile Süd- und Ostdeutschlands in Katastrophenregionen verwandelt. Im bayerischen Passau wurde am Montag ein neuer Hochwasserrekord gemessen.
In mehreren Städten und Landkreisen in Bayern, Thüringen und Sachsen galt Katastrophenalarm, darunter Dresden, Chemnitz, Zwickau, Grimma, Greiz und Rosenheim.
Ursache für die Hochwasser ist ein fast stationäres Tiefdruckgebiet über dem östlichen Mitteleuropa, durch das immer wieder feuchte und warme Luft aus dem östlichen Mittelmeergebiet in großem Bogen nach Deutschland strömen konnte.
Hier traf die Luft auf kühlere Atlantikluft. Da warme Luft leichter ist als kalte, stieg die Warmluft nach oben – Wolken und ergiebiger Regen waren die Folge. Besonders stark waren die Regenfälle am Nordrand der Alpen und des Erzgebirges, die Wolken und Regen aufstauten. Erschwerend kam hinzu, dass die Böden vielerorts nach dem verregneten Mai vollgesogen waren und kein Wasser mehr aufnehmen konnten.
Himmelschleuse geöffnet
Nach Angaben des Deutschen Wetterdienstes (DWD), der zuvor vor unwetterartigem Dauerregen gewarnt hatte, kamen seit Donnerstag der vergangenen Woche örtlich über 300 Liter pro Quadratmeter zusammen. Im bayrischen Kreuth gingen 372 Liter pro Quadratmeter runter. Zum Vergleich: In Hamburg regnet es im Monat Mai im langjährigen Durchschnitt knapp 60 Liter pro Quadratmeter.
Mit dem Klimawandel habe dieser Extremregen nichts zu tun, sagte DWD-Sprecher Gerhard Lux. „So etwas kommt alle paar Jahre vor.“ Allerdings gebe es die Befürchtung, dass künftig Starkregen häufiger und kräftiger ausfallen könnte. Schließlich speichere warme Luft mehr Feuchtigkeit als kältere.
Auf diesen Zusammenhang verweist auch der Klimaforscher Stefan Rahmstorf. „Selbst wenn das Wettergeschehen unverändert bleibt und alles nur wärmer wird, dann sind stärkere Extremniederschläge zu erwarten – immer dann, wenn sich gesättigte Luftmassen abregnen.“ Vorliegende Daten aus den USA, Europa und Australien deuteten auf eine erhebliche Zunahme von Extremniederschlägen hin.
Rückhaltebecken ausgebaut
Aber was tun, wenn es viel regnet? Im besten Fall kann man Talsperren oder Staustufen an den Flüssen nutzen, um Regenwasser aufzuhalten. „Nach der Erfahrung mit dem Hochwasser 2002 haben wir den Hochwasserrückhalteraum in den sächsischen Talsperren erweitert“, sagte Frank Meyer, Sprecher des sächsischen Umweltministeriums.
Zudem habe man in der vergangenen Woche zusätzlich Wasser abgelassen, als erste Unwetterwarnungen kamen. „Das hat etwas geholfen.“
Der Umweltverband BUND kritisiert die Hochwasserpolitik. „Aus dem Elbehochwasser hat man nichts gelernt“, sagte BUND-Wasserexperte Winfried Lücking. Gerade mal 5 Prozent der notwendigen Maßnahmen an der Elbe seien seitdem verwirklicht worden.
„Die Flüsse brauchen mehr Platz.“ Zudem müssten trockengelegte Feuchtgebiete renaturiert werden. Und: „In den Bergen brauchen wir mehr Mischwälder statt Nadelwälder, weil die das Regenwasser besser speichern können.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Autounfälle
Das Tötungsprivileg
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Verkehrsvorbild in den USA
Ein Tempolimit ist möglich, zeigt New York City
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich