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Politiker Jan Korte über Linkspartei„Die Spaltung wäre eine Katastrophe“

Die Linkspartei nerve zwar manchmal, sagt Jan Korte. Aber sie sei das einzig erfolgreiche Projekt links von der SPD in den letzten 60 Jahren.

Sammlungsbewegung? „Ich weiß nicht, wer genau sich da sammeln soll“, sagt Korte Foto: Imago/photothek
Stefan Reinecke
Interview von Stefan Reinecke

taz: Herr Korte, spaltet sich die Linkspartei?

Jan Korte: Nein. Das wäre auch eine Katastrophe. Wir müssen angesichts der massiven Rechtsverschiebung über vieles neu nachdenken – aber nicht über eine neue Partei.

Also ist die Sammlungsbewegung von Oskar Lafontaine und Sahra Wagenknecht nur eine Seifenblase?

Ich weiß nicht, wer genau sich da sammeln soll. Aber die Debatte darum, wie sich die gesellschaftliche Linke verhalten soll, halte ich für legitim. Die Linkspartei ist ein erfolgreiches Projekt, links von der SPD und fest in der Gesellschaft verankert. Sie ist unsere Partei, die uns aufgestellt und in Verantwortung gebracht hat. Diese Partei sollte der Nukleus für etwas Größeres werden. Diese Partei nervt manchmal, stimmt schon. Aber sie ist der richtige Raum.

Wagenknecht hat sich mit ihrem „Team Sahra“ und in der Flüchtlingspolitik deutlich von der Partei entfernt. Ist die Sammlungsbewegung ein Test, ob sich nicht doch eine neue Partei lohnt?

Linke Parteien gibt es genug. Erfolgreich war in den letzten 60 Jahren nur eine: Die LINKE.

Die Blaupause für Wagenknechts Überlegung ist Mélenchons Sammlungsbewegung in Frankreich, die immerhin 20 Prozent bekam. Warum geht hierzulande nicht, was in Frankreich funktionierte?

Im Interview: Jan Korte

40, ist parlamentarischer Ge­schäftsführer der Linksfraktion. In seinem Wahlkreis An­halt-Bitterfeld ist die AfD zweitstärkste Kraft hinter der CDU.

Das französische System ist traditionell anders, mehr auf Personen bezogen, weniger auf Parteien. Wir müssen hier vielleicht Initiativen um die Partei herum bilden – so ähnlich wie es die Komitees für Gerechtigkeit mal waren. Aber nicht als Konkurrenzunternehmen zur Partei. Und wir sollten nach Großbritannien schauen.

Warum?

Weil Corbyn es geschafft hat, sowohl für die Abgehängten in den deindustrialisierten Zonen ein Angebot zu machen als auch für urbane, junge Akademiker. Also Sheffield und London. Das muss unser Weg sein. Wir müssen uns jenen zuwenden, die das Gefühl haben, abgehängt und nicht respektiert zu werden. Und diese Politik verbinden mit Angeboten an die vielen jungen, urbanen Linken, die uns gewählt haben und nicht mehr die Grünen – was übrigens ein großer Erfolg ist.

Viel deutet darauf hin, dass es eine neue Große Koalition geben wird. Was bedeutet das für die Linkspartei?

Ich hoffe nicht, dass die SPD in die Große Koalition eintritt – in ihrem eigenen Interesse. Falls es doch so kommt, müssen wir mehr Verantwortung übernehmen und uns für enttäuschte Sozialdemokraten öffnen.

Wie?

Zum Beispiel: Wir sind für die Auflösung der Nato. Das ist inhaltlich gerechtfertigt. Aber wenn ich mit Leuten aus meinem Wahlkreis rede: Da gibt es keinen, der morgens auf dem Weg zur Schicht denkt – wie kommen wir nur aus der Nato raus? Also weniger Slogans, mehr über die konkreten Sorgen der Bürger reden.

Und so wollen Sie frustrierte SPD-Wähler erreichen?

Die SPD hat sich nicht vom Neoliberalismus der Agenda-Politik befreit. Wir müssen klar machen, dass wir für Sozialstaat und Gemeinsinn stehen. Wer in Not ist, dem wird geholfen. Weil er oder sie ein Recht darauf hat. Und wir müssen mehr Offenheit ausstrahlen.

Also Schluss mit den SPD-Beschimpfungsorgien?

Wenn die SPD mit Merkel regiert, werden wir sie angreifen – was denn sonst. Aber wir können den Zusammenbruch der SPD nicht wollen. Und auch nicht, dass die SPD wie die Parti socialiste bei 6 Prozent landet.

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8 Kommentare

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  • Machen wir uns nichts vor, die Linke hätte am 24.09.2017 bei einer solch desolaten SPD ein weit aus besseres Ergebnis einfahren müssen.

    Solche wie Jan Korte & Klaus Lederer sind es, weshalb Die Linke auf der Stelle trat und kein besseres Wahlergebnis erzielte.

    Wir erinnern uns, als das wirkliche Linke Thema, Frieden und Humanität während der israelischen Militäroffensive in Gaza im Jahr 2014 auf der Linken Agenda stand.

     

    Die Friedensaktivisten von den Linken Inge Höger und Annette Groth hatten Max Blumenthal und David Sheen nach Berlin eingeladen, um über die mutmaßlichen Kriegsverbrechen der Israelis in Gaza zu berichten.

    Jan Korte, Höhn, und Klaus Lederer waren es, die mit weiteren 80 Linken, meistens aus dem SED + PDS Kader versucht hatten, deswegen die Aufrichtigen West-Linken Inge Höger, Dehm und Annette Groth aus der Partei auszuschließen.

     

    Und so ging und geht das ständig mit den Linken aus dem Dunstkreis der PDS, bis heute. Die Ost-Linke hat es nicht geschafft, die Bürger im Osten an die Linke zu binden, sie wählen heute die AfD. Die Linke im Osten ist auf dem absteigenden Ast.

     

    Ein Neustart der Linken, ohne Klaus Lederer, Jan Korte usw. ist jetzt das Richtige. Lieber ehrlich zu spät mit Wagenknecht an der Spitze als nie mehr wieder.

     

    Die Linke braucht keine PDS, keine SED, keine weinerliche Kipping. Jetzt neu durchstarten!

    • @Nico Frank:

      Nein, es sind diejenigen Linken-Politiker, die sich mit den Querfrontaktivisten Ken Jebsen, Jürgen Elsässer und Co. solidarisieren, die die Linke am Erstarken hindern.

       

      Was mich an den Linken stört ist die fehlende Distanz einiger Linken-Politiker (Dieter Dehm, Wolfgang Gehrcke) zu den Querfrontaktivisten Ken Jebsen, Jürgen Elsässer und Co.

      Die Linken müssen sich klar von antisemitischen Positionen distanzieren, da sie ansonsten niemals über die 10% hinauskommen werden.

  • Nicht schon wieder dieses Konzept zur Gründung einer linken Partei für alle. Das ist das erste, was mir da von den Lippen kommt. Hat es doch schon damals dazu geführt, dass da eien Sammlungsbewegung entstand, die zwar SPD und Grüne wieder auf Kurs bringen sollte, aber eben bewusst kein Programm hatte. Erst einmal das Fähnchen in den Wind hängen und schauen, was die Leute wollen, um uns zu wählen, war da doch das Motto.

     

    Und doch war schon bei der WASG eine gewisse Dominanz der SPD zu spüren. Wer als Fundi von den Grünen kam, war da nicht so gelitten und stieß auf alte Vorbehalte der SPD. Die Ökos wurden abgehangen. Und beim näcshten Anlauf soll alles anders sein und alle werden integriert?

     

    Aber auch die Wahrnehmung in der Öffentlichkeit beschränkt sich bis heute auf das, wofür SPD und Grüne auf Kurs gebracht werden sollten: Gegen Hartz IV und für höhere Steuern bei Reichen oder Beserverdienenden.

     

    Wo hat bitte die LINKE jemals lautstark gefordert, dass die Mittelschicht bei der Einkommenssteuer kräftig entlastet wird? Die haben doch bislang Angst, die sozialen Errungenschaften zahlen zu müssen. Wo haben die LINKEN lautstark gesagt, dass dann trotzdem durch Steuern für die oberen 20 % mehr Gesamteinnahmen erzielt werden könnten? Auch Lafontaine und Wagenknecht schweigen an dem Punkt weitgehend. Oder?

     

    Wer zu solchen Themen lautstark vernehmbar wäre, würde keine neue Fusionspartei brauchen. Wer das nicht lautstark fordert, wird es auch im nächsten Anlauf für eine Fusion aller "Linken" nicht bringen. Es wird nur eine Spaltung eines Projektes bringen, das derzeit noch oberhalb der 5 %-Hürde liegt.

     

    Mein Daumen ist tief unten für das Projekt einer neuen Sammelpartei. Eine Partei, die auch Stimmen aus der Mittelschicht zieht und sozial koalieren mag, wäre aber erforderlich.

  • Was war denn nun der große "Erfolg" der Linkspartei? Dass sie sich als PDS den Milliardenbetrag des SED-Vermögens unter den Nagel gerissen hat oder dass sie dafür gesorgt hat, dass hochrangige Stasi-Offiziere satte Renten einstreichen können, während zahlreiche Opfer des DDR-Regimes mit einer kleinen Entschädigung auskommen müssen? Wäre diese Partei mit all ihren verschiedenen Namen rechtzeitig in der Versenkung verschwunden, würde die SPD heute nicht bei 20 Prozent herumkrebsen...

    • @Tom Berger:

      Immmer interessant, dass diese Vorwürfe FDP oder Union nicht gemacht werden. Obwohl diese je 2 Blockparteien ohne jede überprüfung der Vergrangenheit der Mitglieder dieser Parteien "integriert" haben.

      Man nennt sowas gemeinhin Selbstentlarvung.

      Und die Annahme, politisch linke Menschen würden ohne "die Linke" heute noch die neoliberal gewendete SPD wählen, ist derart grotesk, dass man wirklich nur mit dem Kopf schütteln kann. Für den Absturz der SPD sind die diversen FDP-Uboote aka Seeheimer verantwortlich. Und sonst niemand.

      • @Kaboom:

        Stimme zu. Nichts desto trotz ist die VermögensVerschleierung der PDS kritisch zu sehen.

         

        Meiner Kenntnis nach hat die SED/PDS allerlei versuche unternommen Vermögen zu verschleiern. 1995 wurden schließlich alle Ansprüche an SED-Altvermögen an den Bund abgetreten. Inwiefern hat sich Die Linken also das Vermögen unter den Nagel gerissen? Bitte um Aufklärung.

        • @Docmx:

          So einfach ist es, von politischen Sachthemen abzulenken. Aber die haben SED-Vermögen eingesackelt, ie andere die Gelder der Blcokflöten, die nicht besser und nicht schlechter, sondern genau so schlimm waren?

           

          He: Dafür verzichten dann einige Menschen auf eine Partei, die sich für ihre Renten einsetzt? Die für einen finanzierbaren Sozialstaat kämpft? Eine Partei, die auch mal häufiger drauf hinweisen könnte, dass sie sogar die Mittelschicht entlasten will?

           

          Ach ja. Abenteuerlich, wie Menschen bewegt werden können, mit hinerfurzigen Argumenten von der Wahl einer der Mehrheit der Bevölkerung nützlichen Partei abzuhalten.