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Politik und Drogenbosse, real und medialDer reale Higuera Sols

Ein mexikanischer Ex-Sicherheitsminister wurde wegen der Zusammenarbeit mit dem Sinaloa-Kartell verhaftet. Sein Pendant gab es schon auf Netflix.

Gerichtszeichung von Garcia Luna Foto: Jane Rosenberg/reuters

W er bei Google nach Informationen über Conrado Higuera Sol sucht, stößt unweigerlich auf die ausführliche Vita eines mexikanischen Politikers, der mit mehreren Präsidenten und Drogenbossen zusammengearbeitet hat. Es ist die Geschichte eines skrupellosen, schmierigen Mannes, der in der Politik Karriere macht. So erklärt es die Popkultur-Webseite fandom.com. Im wirklichen Leben gibt es „Don Sol“ nicht. Jedenfalls nicht unter diesem Namen. Der Jurist ist ein Protagonist der Netflix-Serie „El Chapo“ über den Chef des mexikanischen Sinaloa-Kartells Joaquín Guzmán Loera.

Jeder, der die drei Staffeln des Krimis gesehen hat, weiß schon seit drei Jahren von den kriminellen Geschäften Sols. Zuvor hatte bereits der Autor Don Winslow in seiner Trilogie über den mexikanischen Drogenkrieg Personen erfunden, die enge Kontakte zwischen Mafia­führung und Präsidentenamt unterhielten. Darauf aufbauend entwarfen Winslow und die Netflix-Filmemacher ihr Muster: Regierung und „El Chapo“ arbeiten eng zusammen und schalten rivalisierende Banden aus, um dem Sinaloa-Kartell die alleinige Macht zu garantieren.

Der Plot bot sich dramaturgisch an. Aber ohnehin zweifelte kaum jemand an dieser Net­flix-Wahrheit, zumal sie eine reale Grundlage hatte. Schon 2010 deutete die Journalistin Anabel Hernández in ihrem Buch „Los Señores del Narco“ diese kriminelle Kooperation an. „Kaum waren die ersten Vorabdrucke meines Buches veröffentlicht, rasteten der Minister für innere Sicherheit, Genaro García Luna, und seine engsten Mitarbeiter aus“, erinnerte sich die Autorin.

Garcia Luna ist Higuera Sols

Im Dezember verhafteten nun US-Strafverfolger Higuera Sols reales Pendant García Luna in Florida. Der ehemalige Sicherheitsminister soll in seiner Amtszeit Schmiergelder in Millionenhöhe vom Sinaloa-Kartell kassiert haben. Im Gegenzug habe er El Chapo und seine Leute ungestört Drogen in die USA schmuggeln lassen, so der Vorwurf. Zudem soll er Informationen über rivalisierende Kartelle an Guzmans Truppe weitergegeben haben.

Kurz vor der Verhaftung war Hernández’ neuestes Buch, „El Traidor“ – „Der Verräter“, herausgekommen, in dem sie ausführlich einen engen Komplizen Guzmans zu Wort kommen lässt und weiter Vorwürfe gegen Gracía Luna erhebt. Auch Zeugen im Prozess gegen El Chapo haben zu den kriminellen Zahlungen ausgesagt.

García Luna übertrifft locker sein Netflix-Pendant. Unter der Präsidentschaft des Konservativen Vicente Fox leitet er von 2000 bis 2006 die oberste Ermittlungsbehörde (AFI). Unter dessen Nachfolger Felipe Calderón wurde er Sicherheitsminister – und Hauptstratege des Drogenkriegs, mit dem die anhaltende Gewaltspirale ihren Anfang nahm.

Den Rest des Lebens hinter Gittern?

Im Interesse des Sinaloa-Kartells starben demnach Zigtausende, und das mit staatlicher Unterstützung. Sollten die Vorwürfe zutreffen, müsste García Luna wie sein bereits verurteilter Geschäftspartner El Chapo den Rest seines Lebens hinter Gittern verbringen.

Wie es weitergeht, ist unklar. Eine vierte Netflix-Staffel ist nicht geplant. Die reale Story bekommt möglicherweise noch einen Dreh. García Luna hat auch eng mit der US-Antidrogenbehörde DEA kooperiert. Und diese, folgt man Her­nández, mit dem Sinaloa-Kartell. Schließlich könnte er Dinge verraten, die für die US-Behörde unangenehm wären.

Wohl deshalb hieß es nun Anfang Januar, García Luna versuche, sich mit den Strafverfolgern zu einigen. Bislang lebte er ungestört, obwohl die Vorwürfe nicht neu waren. 2012 beendete er seine Politikerkarriere und zog nach Miami. Hernández dagegen musste aus ihrer Heimat flüchten. Vertreter der US-Regierung informierten sie jüngst darüber, dass García Luna einen Plan entwickelt habe, sie zu ermorden.

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Wolf-Dieter Vogel
Korrespondent
Wolf-Dieter Vogel, Jahrgang 1959, ist Print- und Radiojournalist sowie Autor. Er lebt in Oaxaca, Mexiko. Seine Schwerpunkte: Menschenrechte, Migration und Flucht, Organisierte Kriminalität, Rüstungspolitik, soziale Bewegungen. Für die taz ist er als Korrespondent für Mexiko und Mittelamerika zuständig. Er arbeitet im mexikanischen Journalist*innen-Netzwerk Periodistas de a Pie und Mitglied des Korrespondentennetzwerks Weltreporter.
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