Politik gegen Wohnungslosigkeit: Eine warme Stube reicht nicht

Die Kältehilfe läuft jetzt auf Hochtouren, aber Diakonie und Caritas fordern mehr Engagement vom Senat, einen Masterplan gegen Wohnungslosigkeit und mehr Geld.

Es wird kalt! Obdachloser im Park (in Hamburg) Foto: dpa

Der „Warme Otto“ ist in Not. Seit 35 Jahren bietet die Tagesstätte in Moabit Wohnungslosen einen Platz zum Ausruhen, Aufwärmen, Duschen. Sie können hier Wäsche waschen, an einen Computer gehen, etwas Warmes essen oder trinken – und sich beraten lassen, wie sie wieder raus kommen aus der Obdachlosigkeit. „Das ist nicht immer leicht, denn viele unserer Klienten haben persönliche oder soziale Schwierigkeiten“, erklärt der Leiter der Einrichtung Karsten Krull. Will sagen: Viele BesucherInnen sind psychisch krank, haben Drogenprobleme und sind überhaupt nicht gerade präsentabel nach Jahren des Lebens auf der Straße.

Das eigentliche Problem ist jedoch: Tagesstätten wie der „Warme Otto“ – der Name rührt vom früheren Standort in der Ottostraße her – haben zwar seit Jahren einen stetig wachsenden Kundenkreis, zu dem inzwischen auch mehr als 50 Prozent EU-BürgerInnen gehören, bekommen jedoch nicht mehr Geld. Die Zuwendungen für die 13 Einrichtungen dieser Art in Berlin seien seit Jahren gleich geblieben oder sogar zurückgegangen – und das bei steigenden Personal- und Sachkosten, konstatiert Diakonie-Chefin Barbara Eschen am Donnerstag anlässlich des offiziellen Starts der Kältehilfe. Verkompliziert werde das Ganze, weil diese Einrichtungen nicht vom Senat sondern von den Bezirken finanziert würden – „und jeder macht es anders“, so Eschen.

Krull bestätigt das. So habe etwa der Bezirk Reinickendorf vor Jahren die Finanzierung seiner Wohnungslosentagesstätten eingestellt, „wohl in der Hoffnung, die Leute verschwinden woandershin“. Dagegen sei Mitte relativ engagiert, der „Warme Otto“ bekomme vom Bezirk seit Jahr und Tag 2,2 Vollzeitstellen bezahlt – für knapp 25.000 BesucherInnen im vorigen Jahr. Zusätzlich sei der „Warme Otto“ die einzige Tagesstätte, die EU-Mittel für eine mehrsprachige Beratung für EU-BürgerInnen erhalte. „Alle anderen haben die gleiche Klientel, bekommen aber keinen Euro mehr und keine fachliche Unterstützung für diese neue Aufgabe.“

Die Kältehilfe-Akteure fordern daher den Senat auf, die Zuständigkeit für die Tagesstätten zu übernehmen und sie bedarfsgerecht zu finanzieren. Dies habe man auch schon auf der Strategiekonferenz zur Bekämpfung von Wohnungslosigkeit Anfang Oktober gefordert, so Eschen: „Aber da waren wir wohl nicht laut genug.“

Der ganze Senat muss ran

Auch sonst haben die kirchlichen Wohlfahrtsverbände Diakonie und Caritas als zwei der Hauptträger der Kältehilfe einige mahnende Worte an die Politik zu richten. Zwar gibt es zunächst ein dickes Lob für Sozialsenatorin Elke Breitenbach (Linke): Dank ihres Engagements hätten die Angebote der Kältehilfe und auch der ganzjährigen Wohnungslosenhilfe in diesem Jahr enorm ausgebaut werden können (siehe Kasten), so Ulrike Kostka. „Aber ich vermisse ein gemeinsames Vorgehen des ganzen Senats!“, sagt die Caritas-Chefin mit deutlich hörbarem Ausrufezeichen. Die Bekämpfung der Wohnungslosigkeit sei nicht nur ein Thema für die Sozialverwaltung – so gut es sei, dass Breitenbach die Strategiekonferenz angestoßen habe.

In diesem Jahr ging es schon im Oktober los bei der Kältehilfe mit 407 Notübernachtungsplätzen für Obdachlose. Seit 1. November, dem offiziellen Start der Kältehilfe, gibt es 826 Schlafplätze, im Dezember wird auf 933 aufgestockt, weitere 250 sind in Vorbereitung. Zwei Busse von Rotem Kreuz und Stadtmission fahren Hilfebedürftige zu den Einrichtungen. Hilfetelefon: (030) 810560425. Die Kältehilfe geht erstmals bis 30. April.

Neu ab 7. November: eine ganzjährige Krankenstation der Caritas mit 10 Plätzen in der Moabiter Turmstraße auf dem Lageso-Gelände. Erst vor kurzem gestartet mit Geld vom Senat ist auch das Projekt TRIA - ein Beratungsangebot für EU-BürgerInnen. Ein Teilprojekt davon ist eine Art WG der Stadtmission mit acht Schlafplätzen. Betroffene sollen dort mittels eines individuellen Intensiv-Clearings wieder in die Gesellschaft integriert werden. (taz)

Kostkas Kollegin stimmt zu. Da das Hauptproblem der eklatante Mangel an bezahlbarem Wohnraum sei, so Eschen, „wünsche ich mir, dass der begonnene Strategieprozess ergänzt wird durch eine Initiative der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, um kurzfristig Lösungen für Wohnungsnotfälle zu schaffen“. Derzeit bringen die Bezirke knapp 38.000 wohnungslose Menschen in Heimen, betreuten Wohneinrichtungen und Pensionen unter. Viele von ihnen bleiben dort Monate oder gar Jahre hängen, weil es keine Wohnungen gibt. Eschen: „Wir brauchen einen Masterplan Wohnraum für Wohnungslose!“

Darüber hinaus hat Kostka noch eine Forderung an die Bundespolitik: Es sei ja schön und gut, dass die Bundeskanzlerin kürzlich zum Wohnungsgipfel geladen habe – was die Wohlfahrtsverbände schon lange gefordert hatten. Allerdings seien dazu weder Wohnungsloseninitiativen noch die Wohlfahrtspflege eingeladen gewesen. „Ein Skandal“, findet Kostka, „wir wissen schließlich, was Wohnungslosigkeit bedeutet.“ Eine konkrete Forderung hätte sie auch schon: ein Gesetzesänderung, damit Familien und Ältere nicht zwangsgeräumt werden dürfen.

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