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Polens neue RegierungPräsident Kaczyski droht mit Veto

Die Regierungsbildung in Polen kann beginnen - wenn Präsident Kaczyski mitmacht. Er droht mit einem Veto gegen Beschlüsse der künftigen Regierung.

Empört über "beleidigenden" Wahlkampf: Polens Präsident Lech Kaczynski Bild: dpa

In Polen nimmt die künftige Regierungskoalition zwischen dem konservativ-liberalen Wahlsieger Bürgerplattform (PO) und der gemäßigten Bauernpartei (PSL) Form an. Waldemar Pawlak, Chef der PSL und als hartnäckiger Verhandler bekannt, wurde vom designierten PO-Regierungschef Donald Tusk das einflussreiche Amt des Wirtschaftsministers und Vizepremiers zugestanden. Auch das Landwirtschaftsministerium und ein weiteres Ressort sollen von der PSL besetzt werden.

Bereits ab 5. November, wenn das neu gewählte Parlament erstmals zusammentritt, könnte Tusk mit der Regierungsbildung beauftragt werden. In etwa 80 Prozent seien sich die beiden Parteien über das Koalitionsprogramm einig, sagte ein PSL-Politiker der Tageszeitung Gazeta Wyborcza. Als Prioritäten wurden der Ausbau des Straßennetzes und die Abschöpfung der EU-Gelder genannt.

Bei den Parlamentswahlen am 21. Oktober hatte die konservativ-liberale PO über 41 Prozent erhalten, die Bauernpartei knapp 9 Prozent. PO-Chef Donald Tusk, der nach seinem Wahlsieg über die bisherige Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) kurzzeitig zögerlich wirkte, erklärte, dass er 24 Stunden nach seiner Nominierung eine Regierungsmannschaft aufstellen könne. Doch dazu braucht es den Präsidenten Lech Kaczynski, Zwillingsbruder des bisherigen PiS-Regierungschefs, und der machte schon mal deutlich, dass die Kooperation mit ihm eiserne Nerven verlangt. Über eine Woche hüllte er sich in Schweigen. Schließlich hatte der Danziger Tusk seinen Bruder und Nochpremier Jaroslaw in seinem Wahlkreis Warschau deutlich geschlagen.

Um eine künftige Zusammenarbeit zu ermöglichen, sprach Tusk schließlich am Dienstag im Nachrichtensender tvn24 das Wort "Entschuldigung" gegenüber dem Präsidenten aus. Zuvor waren nämlich Auszüge eines Zeitungsinterviews bekannt geworden, in dem Staatschef Lech Kaczynski drohte, Tusk müsse sich für seinen "beleidigenden" Wahlkampf entschuldigen, falls er Premier werden wolle. Der Staatspräsident hat in Polen große Vollmachten, wie die Nominierung des Premiers.

Die Konfrontation hatte der jungenhafte Tusk mit seiner leicht ironischen Entschuldigung gekonnt aufgefangen. Doch am Mittwoch kündigte Kaczynksi an, das von der Tusk-Regierung geplante lineare Steuerkonzept sowie die Reform der umstrittenen Antikorruptionsbehörde CBA per Veto blockieren zu wollen. Der geplanten Koalition wird dann die notwendige Dreifünftelmehrheit fehlen, um das Veto aufzuheben.

Auch der Bereich Außen- und Verteidigungspolitik ist krisenbeladen, denn dort schreibt Polens Verfassung eine enge Zusammenarbeit zwischen Staats- und Regierungschef vor. Den geplanten Verteidigungsminister Radek Sikorski lehnt Präsident Kaczynski ab. Er hatte dieses Amt schon bis Februar 2007, trat dann jedoch zurück. Sikorski, lang als proatlantischer Falke bekannt, will mit der USA selbstbewusster über die Aufstellung des US-Raketenschirms in Osteuropa und die Einsätze in Afghanistan und Irak verhandeln.

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1 Kommentar

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  • RN
    Richard Norbert Kallok

    "Lineares Steuerkonzept" - das hört sich gut an. Tatsächlich will Tusk und seine Partei für alle Einkommen einen einheitlichen Steuersatz von zunächst 25 % einführen und dann evtl., wie bereits 2005 angekündigt, von 15 %. Das ist nichts anderes wie eine massive Steuersenkung zugunsten der Reichen, denn bislang müssen für hohe Einkommen noch 40 % gezahlt werden. Die Gegenrechnung kann nur in Sozialkürzungen und weiteren Anhebungen der Konsumsteuern bestehen, denn trotz eines Wirtschaftswachstums von über 6% kann Polen auch 2007 die vom Masstricht-Vertrag verlangte Reduzierung des Budgetdefizits auf maximal 3 % des BIP nicht erreichen. Die wichtigste Ursache hierfür sind die Steuerbefreiungen für die zahlreichen in Sonderwirtschaftszonen produzierenden Unternehmen.