Polens EU-Ratspräsident Donald Tusk: Alle zufrieden, außer der Regierung
Die meisten EU-Länder würden Tusk wohl wiederwählen. Die polnische Regierung hat nun einen Gegenkandidaten aufgestellt.
Nun aber kündigte Polens Außenminister eine Gegenkandidatur an: Jacek Saryusz-Wolski, der seit 2006 für die derzeit oppositionelle Bürgerplattform (PO) im Europäischen Parlament sitzt, soll Ende Mai den Vorsitz des Europäischen Rats übernehmen. Zwar gibt es keine Vorschrift, die es einem rangniedrigeren Politiker untersagen würde, einem Gremium aus Premierministern und Präsidenten vorzusitzen, dennoch ist Saryusz-Wolski völlig chancenlos.
In einem Interview mit der rechtspopulistischen Gazeta Polska erklärt Jarosław Kaczyński, der Parteivorsitzende der regierenden Recht und Gerechtigkeit (PiS), dass Tusk „der Kandidat Angela Merkels“ sei, Tusk also ein „deutscher Kandidat“ sei. „So einen wie den“ werde Polen nicht unterstützen.
Die Gegenkandidatur von Saryusz-Wolski hat demnach nur ein Ziel: sie soll verhindern, dass die Mehrheit der EU-Mitglieder gegen den ausdrücklichen Willen der polnischen Regierung den Polen Donald Tusk im Amt bestätigt. Zu einer „Kampfabstimmung Pole gegen Pole“ wird es eher nicht kommen, da Saryusz-Wolski nicht einmal mehr einer Partei angehört. Die PO schloss den Überläufer mit sofortiger Wirkung aus ihren Reihen aus.
Der EU-typische Kompromiss wäre, die Wahl des EU-Ratspräsidenten noch einmal zu vertagen, in der Zwischenzeit einen neuen Kandidaten zu finden und diesen dann auf einem der nächsten Gipfel zu wählen. Der Rat könnte aber auch Tusk mit einer qualifizierten Mehrheit erneut wählen – gegen den ausdrücklichen Willen seines Heimatlands. Das wäre zwar ein Novum, allerdings gab es auch bisher noch kein Land in der EU, das so wie Polen unter der PiS-Regierung auf Kollisionskurs mit Brüssel gegangen ist.
Saryusz-Wolski begründete die Gegenkandidatur gegen seinen Landsmann und bisherigen Parteikollegen Donald Tusk auf dem Nachrichtendienst Twitter: „Ich akzeptiere es nicht, wenn jemand das eigene Land denunziert und Sanktionen gegen dieses unterstützt. Dafür habe ich Polen nicht in die EU geführt.“ Saryusz-Wolski überschätzt hier nicht nur seine eigene Rolle beim EU-Beitritt Polens, sondern verwechselt auch das Interesse Polens mit dem Parteiinteresse der gerade regierenden Partei Recht und Gerechtigkeit.
Für Tusk ist die Lage denkbar schwierig: Soll er gegen den Widerstand der PiS-Regierung seine erneute Kandidatur für den EU-Ratsvorsitz aufrechterhalten? Noch hat er sich nicht geäußert.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Wahlverhalten junger Menschen
Misstrauensvotum gegen die Alten
Polarisierung im Wahlkampf
„Gut“ und „böse“ sind frei erfunden
Donald Trump zu Ukraine
Trump bezeichnet Selenskyj als Diktator
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Berlinale-Rückblick
Verleugnung der Gegenwart