Polen: Eine Regierungskrise ohne Ende
Juniorpartner in der polnischen Koalition fordern Premier Kaczynski zum Rücktritt auf.
WARSCHAU taz Polens Regierungskoalition ist längst zerbrochen, der Landwirtschaftsminister entlassen, der Bildungsminister öffentlich der Lächerlichkeit preisgegeben. Dennoch kann sich Regierungschef Jaroslaw Kaczynski von der nationalkonservativen Recht und Gerechtigkeit (PiS) nicht aufraffen, endlich einen klaren Schlussstrich zu ziehen und die Koalition mit der linkspopulistischen Bauernpartei Samoobrona und der rechtsradikalen Liga der polnischen Familien (LPR) aufzukündigen. Zwar nannte er schon den September, November und das nächste Frühjahr als mögliche Wahltermine, doch dabei blieb es dann auch. Vorgestern hätte er zwei weitere Samoobrona-Minister entlassen können, die sich ihm "zur Disposition" stellten. Doch er tat es nicht. Er verstehe nicht, "was dahinter steckt", erklärte er auf Nachfragen von Journalisten. "Ich muss mir das ein bisschen länger überlegen."
Nun aber drehen die seit Wochen gedemütigten Juniorpartner in der Koalition den Spieß um und fordern den Rückritt Kaczynskis. "Der Regierungschef führt die Partei und das Land, als wäre es sein privater Bauernhof. Wenn die Koalition weiter funktionieren soll, müsste es ohne Kaczynski sein", fordert Andrzej Lepper, Chef der Samoobrona und zum zweiten Mal gefeuerter Landwirtschaftsminister in dieser Regierung. Auch Roman Giertych, Bildungsminister und Chef der LPR, würde Kaczynski lieber heute als morgen entmachten. Ein Misstrauensvotum gegen den Regierungschef würde er jederzeit unterstützen, erklärt er.
Die aktuelle Regierungskrise hat der Regierungschef selbst verursacht. Anfang Juli entließ er Lepper als Landwirtschaftsminister und Vizepremier, weil dieser in eine Korruptionsaffäre verwickelt sei. Allerdings war diese Affäre durch das Zentrale Antikorruptionsbüro (CBA) inszeniert worden, um Lepper in eine Falle zu locken. Die Aktion flog vorzeitig auf. Statt Lepper konnten nur zwei kleine Betrüger gefasst werden.
Für die Korruptionsvorwürfe gegen Lepper gibt es bislang keine Beweise. Dennoch feuerte ihn Kaczynski mit dem Argument, dass Lepper "in kriminelle Machenschaften" verwickelt sei. Lepper fordert daher, dass sich ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss mit den CBA-Ermittlungen gegen ihn befasse. Die 500 Mann starke Behörde verfügt über weitgehende Polizei- und Geheimdienstvollmachten, unterliegt aber nicht der Kontrolle des Parlaments, sondern untersteht direkt dem Regierungschef. Kaczynski aber lehnt eine Untersuchung der Aktion gegen Lepper ab. So ist er nun selbst ins Zwielicht geraten.
Kaczynski hat es auf die Wähler der Juniorpartner abgesehen. Er versucht alles, die Parteichefs von Samoobrona und LPR zu diskreditieren. Ob seine Strategie aufgeht, ist fraglich. Lepper und Giertych zahlen es ihm mit gleicher Münze heim. "Wir können die Koalition fortsetzen - ohne Lepper", sagt Kaczynski und schmeichelt den Samoobrona-Wählern. Lepper antwortet: "Wir können die Koalition fortsetzen - ohne Kaczynski."
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