Polen unterliegt vor dem EuGH: Angriff auf den Rechtsstaat
Das höchste Gericht der EU schiebt dem Umbau von Polens Rechtsstaat einen Riegel vor. Doch Warschau könnte sich weiter stur stellen.
Im Streit um den Rechtsstaat hat Polen eine weitere Niederlage vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg erlitten. Die Zwangspensionierung von Richtern an ordentlichen polnischen Gerichten widerspricht dem EU-Recht, stellte der EuGH fest. Zuvor hatten die Luxemburger Richter bereits die Zwangspensionierungen am Obersten Gericht gekippt.
Geklagt hatte die EU-Kommission in Brüssel. Sie sieht in der Zwangspensionierung einen unzulässigen Angriff auf den Rechtsstaat und auf das Prinzip der Gleichbehandlung von Männern und Frauen.
Der EuGH gab der Brüsseler Behörde nun Recht. Die unterschiedlichen Ruhestandsalter seien eine unmittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, urteilten die Luxemburger Richter. Statt wie bisher mit 67 Jahren sollten Frauen mit 60, Männer hingegen erst mit 65 Jahren in Pension gehen.
Ausnahmen sollte nur der Justizminister genehmigen dürfen. Doch auch dem schiebt der EuGH nun einen Riegel vor: Damit werde die Unabhängigkeit der Richter beschnitten, urteilte das höchste EU-Gericht.
Ungarn hält zu Polen
Die EU-Kommission und die rechtskonservative Regierung in Polen liegen seit Jahren im Clinch. Stein des Anstoßes ist die Justizreform. Der von der Regierungspartei PiS forcierte Umbau der Justiz sei ein Angriff auf den Rechtsstaat, heißt es in Brüssel.
Nachdem der zuständige EU-Kommissar Frans Timmermans vergeblich versucht hatte, die Regierung in Warschau zum Einlenken zu bewegen, zog die Kommission im Dezember 2017 vor den Europäischen Gerichtshof. Außerdem leitete sie ein so genanntes Rechtsstaats-Verfahren ein, das im Extremfall zum Entzug des polnischen Stimmrechts im Ministerrat führen kann.
In der Praxis muss Polen jedoch keine Sanktionen fürchten, da das befreundete Ungarn bereits angekündigt hat, ein Veto einzulegen. Umso wichtiger ist das Urteil des EuGH.
In Brüssel wurde das Urteil einhellig begrüßt. Die EU-Kommission sprach von einer „wichtigen Entscheidung, die die Unabhängigkeit der Justiz in Polen unterstützt und die Diskriminierung wegen des Geschlechts unterbindet.“
Brüssel sucht Entspannung
Das Europaparlament forderte die Regierung in Warschau auf, die umstrittenen Reformen nun schnell rückgängig zu machen. „Ich erwarte von der polnischen Regierung, dass sie ihr Gesetz in dieser Form zurück nimmt“, sagte der grüne Europaabgeordnete Sven Giegold. Ähnlich äußerte sich die SPD-Europapolitikerin Katarina Barley. Sie sprach von einem „Signal für Rechtsstaatlichkeit“. Nun müsse die polnische Regierung handeln.
Wie es nun weiter geht, ist unklar. Die polnische Regierung erklärte, die fraglichen Regelungen seien bereits geändert worden. Sie hat die Befugnisse des Justizministers beschnitten und das Pensionsalter von Frauen auf 65 Jahre angehoben.
Aus Sicht der EU-Kommission reicht dies jedoch nicht aus. Eine Sprecherin bemängelte, dass betroffene Richter nicht entschädigt worden seien. Sollte sich Warschau stur stellen, könnte die Brüsseler Behörde theoretisch erneut vor das EU-Gericht ziehen. Dann drohen empfindliche Geldstrafen.
Zuletzt war Brüssel jedoch um Entspannung bemüht. Die künftige Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) ist bereits auf die Regierung in Polen zugegangen. Zudem hat sie Timmermans, der in Warschau angefeindet wurde, mit einer neuen Aufgabe betreut: Er wird sich künftig um den Klimaschutz kümmern. Der Rechtsstaat wird, wenn nicht alles täuscht, künftig tiefer gehängt.
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