Pogačar gewinnt Tour de France: Viel Sieg, viel Feind, viel Ehr
Tadej Pogačar gewinnt die diesjährige Tour de France und bricht dabei einige Rekorde. Der Slowene zeigte sich dominant und unerbittlich.
Dabei gewann er auf jedem Gelände und bei jedem Profil, seien es kleine Berge, große Schotterstrecken oder glatter Asphalt, der im Zeitfahren bezwungen werden muss. Nein, nicht bezwungen, überflogen. Denn der Slowene erwies sich als wahrer Überflieger seines Sports. „Es gibt kein Etappenprofil und keinen Untergrund, auf dem Tadej besonders bevorzugt ist. Er ist einfach gut auf allem. Er ist der Beste der Welt“, frohlockte Matxin Fernandez, Sportdirektor beim siegreichen Rennstall UAE Emirates, gegenüber der taz.
Vor allem in den Bergen herrschte er. Sechs neue Kletterrekorde stellte er auf, entthronte dabei vergangene Größen des Sports wie Marco Pantani und Miguel Indurain. Auch der große Eddy Merckx hat einen Rekord weniger. Keinen Kletter-, nur einen Statistikrekord. 37 Tage lang trug der Belgier bei seinem Double-Unternehmen 1970 das rosa Trikot des Giro und das gelbe Leibchen der Tour. Pogačar brachte es auf 39 Tage, auch das: eine Zahl für die Ewigkeit.
Der erst 25-Jährige war derart dominant, dass Mark Cavendish, frischgebackener Rekordhalter mit 35 Tagessiegen bei der Tour, halb fröhlich, aber auch halb besorgt nachfragte: „Tadej, hast du schon meinen Rekord im Blick?“ Pogačar lachte und betonte auf der Abschlusspressekonferenz: „Vielleicht in 30 Jahren, wenn ich mich zurücklehne und in den Annalen blättere. Jetzt will ich aber vor allem gewinnen.“
52 Renntage, 21 Siege
Im Gewinnen hat er tatsächlich Übung; 21 Siege, inklusive der beiden Gesamtsiege bei Giro und Tour hat er in diesem Jahr bei nur 52 Renntagen erzielt. In einem Sport, in dem es jeden Tag, bei jedem Rennen mehr als 100 Verlierer gibt, ist das enorm.
Neu ist die Unerbittlichkeit des Slowenen. Vor allem in der dritten Woche zeigte er diebische Freude darin, seinen Hauptrivalen vom Rennstall Visma-Lease a Bike Etappensiege zu verwehren. Auf der 19. Etappe holte er den per Fluchtgruppe enteilten Helfer von Jonas Vingegaard, den danach enttäuschten US-Amerikaner Matteo Jorgenson, ein. Am Folgetag sprintete er Vingegaard selbst nieder.
„Ich hatte gehofft, Tadej würde mir den Etappensieg überlassen“, meinte der Däne geknickt. Um das Demütigungstriple vollzumachen, holte er noch einen überlegenen Sieg im Zeitfahren. Wieder war Vingegaard der erste Geschlagene. Auch Remco Evenepoel, Weltmeister in der Disziplin und Sieger des ersten Tourzeitfahrens, musste erkennen: Selbst seine Bäume wachsen nicht in den Himmel, wenn ein Pogačar an der Startlinie steht.
Auf die Frage, wie er es mit den pharmazeutischen Hilfen hielt, äußerte der Übersieger dieser Saison zunächst Verständnis. Für die Zweifel und das Misstrauen, was er angesichts der langen Betrugsgeschichte für vollkommen gerechtfertigt hielt. Dann aber drehte er den Diskurs auf Dominatorenmodus: „Wer keine Leute hat, die einen hassen, der hat auch keinen Erfolg.“
Vom Prinz zum Herrscher?
Von jedermanns Liebling, der gemocht wurde, weil er den Radsport so leidenschaftlich offensiv interpretiert, niemals zaudert oder zögert, sondern ein großes Spektakel liefert, wurde er zu einem, dem es gefällt, wenn ihm nicht Zuneigung, sondern Ablehnung entgegengebracht wird. „Viel Feind, viel Ehr“, sagte vor etwa 500 Jahren Landsknechtführer Georg von Frundsberg. Pogačar, vor Kurzem noch der zauberhafte Prinz des Straßenradsports, hat sich zum Erwachsenwerden einen harten Weg gewählt: Herrscher sein.
Man kann nur wünschen, dass ihm jemand wieder die Grenzen aufzeigt. „Wir werden uns etwas einfallen lassen, um Pogačar im nächsten Jahr zu bezwingen“, nahm zumindest Grischa Niermann, sportlicher Leiter von Visma-Lease a Bike, die Herausforderung an.
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