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Podiumsdiskussion nach ErschießungUnangenehme Fragen an den Polizeipräsidenten

Nachdem Lorenz A. von einem Polizisten erschossen wurde, ist das Vertrauen in die Oldenburger Polizei erschüttert. Die Grünen suchten nun den Dialog.

Der Tod von Lorenz A. ist in Oldenburg nicht vergessen: improvisierte Gedenkstätte in der Achternstraße im Juli 2025 Foto: dpa | Izabela Mittwollen

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Aljoscha Hoepfner aus Oldenburg

taz | Die Erschießung von Lorenz A. durch einen Oldenburger Beamten am Ostersonntag hat das Vertrauen in die Polizei dort nachhaltig erschüttert. Deren zunächst widersprüchliche Darstellung der Ereignisse, die ausgeschalteten Bodycams und die Tatsache, dass die benachbarte Dienststelle aus Delmenhorst die Ermittlungen führt, stoßen bei vielen auf Unverständnis. Nicht zuletzt stellt sich die Frage, ob der Beamte auch geschossen hätte, wenn Lorenz A. nicht Schwarz gewesen wäre.

In der Hoffnung, das verlorene Vertrauen ein Stück weit wiederherzustellen haben die Grünen auf Initiative der Oldenburger Landtagsabgeordneten Lena Nzume am Montag zu einer Podiumsdiskussion unter dem Motto „Brücken bauen zwischen Zivilgesellschaft und Polizei“ eingeladen.

Bemerkenswert war, dass neben dem innenpolitischen Sprecher der Grünen, Michael Lühmann, der Grünen-Politikerin und ehemaligen thüringischen Justizministerin Doreen Denstädt, der Polizeiforscherin Astrid Jacobsen und dem Sprecher der Initiative „Gerechtigkeit für Lorenz“, Suraj Mailitafi, auch der Oldenburger Polizeipräsident Andreas Sagehorn daran teilnahm. Er musste sich auf unangenehme Fragen einstellen.

Schon eine Viertelstunde vor Beginn der Veranstaltung tigert Sagehorn vor dem Podium auf und ab und mustert das Publikum. Rund 150 Menschen waren in das Veranstaltungszentrum „Core“ gekommen. Wegen der vielen Anmeldungen musste die Diskussion hierher verlegt werden.

Nur konkrete Reformen können das Vertrauen in die Polizei wirklich stärken

„Es besteht Misstrauen, es besteht auch Zweifel an der Arbeit der Polizei“, stellt Sagehorn eingangs fest. Deshalb wolle er sich nicht nur an diesem Abend, sondern auch in Zukunft dem Dialog stellen. Das versichert er während der Diskussion wiederholt und auch glaubhaft. Dennoch verfällt er an mehreren Stellen in altbekannte Abwehrmuster.

So seien die „Vorwürfe“ von strukturellem Rassismus nach der Erschießung von Lorenz A. „echt schwer auszuhalten“, weil die Mehrheit der Be­am­t:in­nen überzeugte De­mo­kra­t:in­nen seien. Der Aktivist Mailitafi erklärt daraufhin, dass es bei strukturellem Rassismus nicht um die Einstellung einzelner Be­am­t:in­nen geht, sondern dass die Gesellschaft historisch gesehen rassistisch sei: „Die Polizei ist nicht frei davon, ich selber bin nicht frei davon.“

Besonders in der Frage der unabhängigen Kontrolle der Polizei lässt Sagehorn Problembewusstsein vermissen. Externe Ermittlungsstellen seien aus rein „fachlicher“ Sicht und wenn man sich „von der Ideologie“ löse unnötig. In der Vergangenheit habe die Polizei bei Ermittlungen gegen sich selbst nie Fehler gemacht.

Tatsächlich sind unabhängige Ermittlungsstellen keine „ideologische“ Forderung, sondern werden von weiten Teilen der Polizeiforschung gefordert. Auch die Wissenschaftlerin Astrid Jacobsen nennt sie in ihrer Antwort auf den Polizeipräsidenten eine „kluge Idee“. Sie hat im Auftrag des Niedersächsischen Innenministeriums eine Studie zu Diskriminierungsrisiken in der Polizei durchgeführt.

Abschlussbericht ohne Konsequenzen

Das sei „ziemlich einmalig in Deutschland“, betont Sagehorn. Auch Innenministerin Behrens (SPD) schmückt sich gerne mit der Vorreiterrolle Niedersachsens. Das Land will ausgehend von dieser Studie Maßnahmen entwickeln, um Diskriminierung zu verringern.

Aber ob Niedersachsen es damit wirklich so ernst meint, ist fraglich. Denn nach Informationen der taz liegt der Abschlussbericht der dafür eingesetzten Arbeitsgruppe bereits seit Mai vor, ohne dass irgendwelche Maßnahmen folgen.

Dialog ist wichtig, keine Frage. Und die Diskussion in Oldenburg hat einen wichtigen Anstoß geliefert. Aber nur konkrete Reformen können das Vertrauen in die Polizei wirklich stärken. Die geplante Erweiterung des Einsatzes von Bodycams im Niedersächsischen Polizeigesetz als Reaktion auf die Erschießung von Lorenz A. ist ein erster Schritt, aber noch lange nicht ausreichend. Erst am Dienstag wurde in Niedersachsen die nächste Polizei-Chatgruppe mit rassistischen und rechtsextremen Inhalten bekannt.

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1 Kommentar

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  • Ich verstehe die Aktivisten, jeder Mord von Migranten/Flüchtlingen sorgt für einen Vertrauensverlust in unser System. Aber was will man erwarten wenn man Gesselschaften die historisch gesehen rassistisch und islamistisch sind hier hat.