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Podcast zu Kasia LenhardtRekonstruktion ohne Interpretation

Der Podcast „NDA“ beschäftigt sich mit dem Suizid von Boatengs Ex-Freundin Kasia Lenhardt. Eine gute Recherche, die narratives Potential verschenkt.

Kasia Lenhardt 2018 in Berlin Foto: Frederic Kern/Future Images/action press

Kasia Lenhardt ist 16 Jahre alt, als sie im Finale von „Germany’s Next Topmodel“ steht. Sie ist 24, als ihre Beziehung mit Profi-Fußballer Jérôme Boateng öffentlich bekannt wird. Sie ist 25, als sie Suizid begeht. Das Leben des Models war kurz und hat gerade in den letzten Jahren unter Beobachtung der Öffentlichkeit stattgefunden. Nach dem Ende der On-Off-Beziehung zwischen Boateng und Lenhardt gibt es im Boulevard fast jeden Tag eine neue Nachricht über die beiden. Kleinste Beziehungsdetails werden öffentlich breitgetreten. Boateng wirft ihr im Bild-Interview vor, ihn zerstören zu wollen. Er diskreditiert sie als alkoholkrank und stellt sie als rachsüchtige Ex-Freundin dar. Der Presserat rügt die Bild, aber das Narrativ ist in der Welt. Viele Fans halten zu Boateng, Lenhardt wird in sozialen Medien mit Hassnachrichten und Drohungen geflutet.

Nach Kasia Lenhardts Tod wird kritischer auf diese Berichterstattung geschaut: Eine Debatte über Cybermobbing und die Verantwortung von Boulevardmedien entbrennt. Und immer wieder steht die Frage im Raum: Hat die Berichterstattung beim Suizid der jungen Mutter eine Rolle gespielt?

Drei Jahre später widmet sich nun der neue Spiegel-Pod­cast „NDA: Geschichten, die nicht erzählt werden sollen“ diesem Tod. In sechs Episoden rekonstruieren die Journalistinnen Nora Gantenbrink und Maike Backhaus den Fall. Beide beschäftigen sich seit Jahren damit. Für den Podcast haben sie noch einmal Zeugenaussagen, Akten und Beweise ausgewertet, inklusive des letzten Handys Kasia Lenhardts, auf dem sich Dutzende Sprachnachrichten an Boateng, seine (Ex-)Freundinnen, ihre Familie oder Freund_innen befinden. In diesen beschuldigt Lenhardt Boateng, sie körperlich angegriffen zu haben.

Diese Sprachnachrichten direkt auf dem Ohr zu haben, ist intensiv. Die Wut und Verzweiflung von Lenhardt zu hören fast unaushaltbar. Denn immer wieder fragt man sich als Zuhö­re­r_in: Hätte ihr denn niemand helfen können? Etwa als Lenhardt eine Art Geheimhaltungsvertrag unterzeichnet, eine sogenannte Non Disclosure Agreement (NDA), die dem Podcast den Namen gibt. Der Vertrag lässt sie glauben, dass sie sich nicht öffentlich zu ihrer (Ex-)Beziehung äußern darf.

Akte Kasia Lenhardt

„NDA: Geschichten, die nicht erzählt werden sollen: Die Akte Kasia Lenhardt“, bei Spiegel+ und wöchentlich bei allen bekannten Podcast-Plattformen

Perspektive der Anwälte

Die Journalistinnen können weder zweifelsfrei belegen, dass es Gewalt in der Beziehung gegeben hat, noch was der Auslöser für Lenhardts Suizid war. Der Podcast verharrt im Konjunktiv: Hätte, wäre, mutmaßlich, sollte. Boatengs Perspektive auf den Fall kommt nicht vor, er wollte nicht mit dem Spiegel sprechen. Dafür wird die Perspektive seiner Anwälte regelmäßig wiederholt: Sie wollen auf die Fragen der Journalistinnen nicht eingehen, aber sagen, viele Sachverhalte hätten sich gänzlich anders zugetragen.

Suizidhinweis

Wenn Sie Suizidgedanken haben, sprechen Sie darüber mit jemandem. Sie können sich rund um die Uhr an die Telefonseelsorge wenden (08 00/111 0 111 oder 08 00/111 0 222) oder www.telefonseelsorge.de besuchen

Der Podcast ist eine gelungene Rekonstruktion eines möglichen Falls von häuslicher Gewalt. Gantenbrink und Backhaus erklären den Zuhörer_innen, warum sie so viel im Konjunktiv sprechen, wie so eine Recherche abläuft und auch wo sie ins Leere läuft oder sich Sachverhalte widersprechen oder uneindeutig sind. Doch wo der Pod­cast mit Transparenz punktet, enttäuscht er narrativ. Dem Spiegel gelingt es leider nicht, eine gute Recherche als gutes Audiostück umzusetzen.

Das liegt daran, dass er auf der Ebene der Nacherzählung verharrt. Metaebenen wie die Verantwortung der Boulevardmedien, Cybermobbing oder Männlichkeitsbilder im deutschen Fußball werden nicht tiefergehend behandelt. Hinzu kommt, dass er das Potenzial von Storytelling-Podcasts nicht ausschöpft: Die Zuhörer_innen kommen den Hosts nicht nahe, dabei sind sie die Einzigen, die direkt zu Wort kommen. Ihr Text klingt zu großen Teilen wie vorgelesen und auch die eingespielten Sounds – vom Torjubel über Feuerwerksgeräusche – überzeugen nicht.

Anhören sollte man den Sechsteiler trotzdem, liefert er doch eine detailreiche Chronik von der Beziehung zwischen Boateng und Lenhardt. Diese verdeutlicht wieder einmal, wie schwer es mutmaßlichen Opfern von häuslicher Gewalt gemacht wird – gerade wenn der mutmaßliche Täter ein Promi ist. Ein Promi, der noch immer aktiver Fußballer ist und gegen den ab Juni ein neuer Prozess beginnt, um die Frage zu klären, ob er seine Ex-Freundin attackiert und beleidigt hat.

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4 Kommentare

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  • Meine Güte, was für eine harsche Kritik. Offenbar ist sie von Neid getragen. Das ist ein richtiges Pfund an Recherche. Das Konjunktiv ist nur fair.

  • Die Journalistin heißt Maike, nicht Laura, Backhaus.

  • Also keine Gewalt? Viele Konjunktive lassen mich hinterfragen, ob es dann journalistisch sinnvoll ist darüber zu berichten. Eine literarische Bearbeitung wahrscheinlich wirkvoller…

  • Who the fuck is Boateng?