Plutonia Plarre über die polizeiliche Observation von Anis Amri und der Rigaer Straße: Ein unmittelbarer Zusammenhang?
Der Vorwurf steht nicht zum ersten Mal im Raum: Die Polizei habe die Observation von Anis Amri am 15. Juni 2016 eingestellt, um die Überwachungskräfte auf das linksradikale Umfeld der Rigaer Straße 94 zu konzentrieren. Teil des autonomen Hausprojekts waren am 22. Juni 2016 rechtswidrig geräumt worden. Der als islamistischer Gefährder eingestufte Amri verübte am 19. Dezember auf dem Breitscheidplatz einen Anschlag, bei dem es zwölf Tote und viele Verletzte gab.
Der Verdacht habe sich erhärtet, schrieb die taz bereits im vergangenen Sommer: „Es gibt Hinweise, dass MEK-Beamte auf Weisung aus der Innenbehörde von der Observation des späteren Breitscheidplatz-Attentäters Anis Amri abgezogen wurden, um stattdessen die Szene um die Rigaer Straße in den Blick zu nehmen.“ Vor zwei Tagen hat die Zeit nun nachgelegt: Auf einer Morgenrunde im Staatsschutz sei Amri im Juni 2016 auf der Observations-Prioritätenliste nach unten gerutscht. „Die Beschatter wurden von Anis Amri abgezogen, um sie auf zwei Personen der linken Szene aus dem Umfeld […] der Rigaer Straße anzusetzen“, schreibt die Wochenzeitung.
Polizeisprecher Thilo Cablitz reagierte darauf am Freitag gelassen. „Die Konstruktion, dass es einen unmittelbaren Zusammenhang gibt, ist alt und nachweislich entkräftet.“ Dass die Entscheidung vielleicht auf ein und derselben Sitzung gefallen sei, habe nichts zu sagen: „Die Prioritätenliste wird fortlaufend aktualisiert.“
Für den grünen Innenpolitiker Benedikt Lux ist der zeitliche Zusammenhang indes ein eindeutiges Zeichen dafür, dass die Kräfte von Amri abgezogen wurden, um sie auf die Rigaer anzusetzen. „Es gab politischen Druck von oben.“ Niklas Schrader, Innenpolitiker der Linken, ist da vorsichtiger: Es sei noch nicht abschließend geklärt, ob politischer Druck ausgeübt wurde. Klar habe sich der damalige Innensenator Frank Henkel (CDU) mit einem harten Vorgehen gegen die Rigaer im Wahlkampf profilieren wollen. Allein die zeitliche Nähe beweise aber keine Kausalität, so Schrader. „Wir werden dem weiter nachgehen.“
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