Pleite in Zeiten von Corona: Quarantäne und Finanzamt
Die Maßnahmen gegen eine Corona-Epidemie sind verwirrend. Aber das deutsche Steuersystem ist ähnlich schwer zu verstehen.
W ie wir gegen das Coronavirus vorgehen, hängt immer noch in der Schwebe. Jeden Tag tritt jemand vor die Kamera und gibt Erklärungen darüber ab, wie wir uns vor dem Virus schützen sollen. Weil alle durcheinander reden, bin ich verwirrt. Ich kann mir gar nicht ausdenken, was ich mache, falls Deutschland wie Italien unter Quarantäne gestellt werden sollte.
Denn letzte Woche wurde mein Konto gesperrt, weil ich angeblich meine Steuern nicht bezahlt habe. Ihr fragt euch, wie es dazu kam? Seit ich zusammen mit einigen Kolleg*innen bei Cosmo Radio „aus finanziellen Gründen“ entlassen wurde, ist mein monatliches Einkommen deutlich geschrumpft. Deshalb konnte ich die letzten drei Monate meine Rechnungen nicht bezahlen.
Während meines Asylverfahrens kamen vom Finanzamt mehrere Briefe, die ich ignorierte. Ich dachte mir, ich bin jetzt anerkannte Geflüchtete, diese Briefe sind nicht wichtig. Ohnehin habe ich kaum was verdient. Das war dumm, aber es ist wirklich unmöglich, die ganzen Gesetze in einem Land zu kennen, in dem du fremd bist.
Ich höre euch schon sagen: „Hättest du jemanden gefragt.“ Okay, ich sehe ein, dass ich einen kleinen, aber gravierenden Fehler gemacht habe. Aber geht es nicht zu weit, dass ich drei Monate lang nicht an mein Geld rankomme? Der Preis für diesen Fehler sollte nicht sein, dass das Geld eingefroren wird, das mir der Staat zum Überleben gibt.
Ins Gesicht husten
Ja, ich habe einen Fehler gemacht, weil ich die Gesetze nicht genau kannte, aber ich habe Bluthochdruck und Herzprobleme. Um mich vor dem Coronavirus zu schützen, brauche ich Geld. Weil ich aber nicht an mein Geld rankomme, kann ich nicht vorsorgen, und es ist nur eine Frage der Zeit, dass ich mich infiziere. Sagen wir, das Land Berlin beschließt eine 15-tägige Quarantäne. Ich kann keine Vorräte und Reinigungsmittel kaufen, ich kann nicht kochen, weil mein Gas abgedreht wurde, mein Telefon und Internet wurden abgeschaltet, ich bekomme die neuesten Nachrichten nicht mit.
Während soziale Medien, Zeitungen und das Fernsehen grundlegend und detailliert über die Maßnahmen aufklären, die gegen die Verbreitung des Virus zu ergreifen sind, finden es manche Berliner*innen cool, gleichgültig zu bleiben. Neulich haben sich fünf junge Frauen in der Tram darüber lustig gemacht, dass ich Einweghandschuhe trage. Sie haben sich zu mir gelehnt und mir ins Gesicht gehustet.
Ich glaube, niemand ist sich im Klaren darüber, wie ernst die Lage ist – oder es ist ihnen egal. Die Zahl der Infektionen steigt jeden Tag, das Virus breitet sich schnell aus, wer weiß, vielleicht mutiert es bereits und vermehrt sich. Solange es keine Impfung gegen das Virus gibt, können ein paar einfache Maßnahmen, die wir alle befolgen, vielleicht Leben retten.
So viel von mir, liebe Leser*innen. Wie ist die Lage bei euch? Vergesst bloß nicht, eure Hände immer zu waschen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Interner Zwist bei Springer
Musk spaltet die „Welt“
Nach dem Anschlag von Magdeburg
Wenn Warnungen verhallen
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Kaputte Untersee-Datenkabel in Ostsee
Marineaufgebot gegen Saboteure
Aufregung um Star des FC Liverpool
Ene, mene, Ökumene