Plauderei mit alten, weißen Männern: Harmlos wie ein Sektfrühstück
Autorin Sophie Passmann hat unter anderem mit Kai Diekmann und Werner Patzelt über das Patriarchat geplauscht. Herausgekommen ist: nichts.
Über Feminismus wird diskutiert, seit es ihn gibt. Vor allem im deutschsprachigen Raum wird in dieser Debatte immer wieder überlegt, wie „der Feminismus“ denn nun operieren und sich vermarkten sollte, damit er erfolgreicher und wenig abgelehnt wird. Die Autorin und Süddeutsche-Zeitung-Redakteurin Meredith Haaf hat schon 2014 in einem Essay in der SZ diagnostiziert, dass sich fast schon eine parasitäre Textindustrie um diese Diskussionen herum entwickelt hat, in der es eigentlich nicht mehr um gesellschaftliche Missstände und Ungerechtigkeiten geht, sondern um einen latenten Verbesserungswahn.
Und daran hat sich nicht viel geändert: Noch immer wird gefordert, Feminismus müsse endlich lustiger, weniger verbissen, weniger unattraktiv, weniger hetzerisch und einfach besser gelaunt werden, damit es auch mal klappt, vom Patriarchat ernst genommen zu werden. Auch männerfeindliche Tendenzen werden immer wieder kritisiert. In diese Diskussion reiht sich jetzt die Autorin Sophie Passmann mit ihrem Buch „Alte weiße Männer. Ein Schlichtungsversuch“ ein und legt wahrscheinlich versehentlich eine „Not all (white) men“-Bibel vor.
Worum geht es? Passmann vertritt die These, dass es einen Prototyp des alten weißen Mannes gibt, dem aber nicht alle alten weißen Männer entsprechen. Die Quintessenz nach 300 Seiten lautet: Es gibt solche und solche. Um das zu belegen, hat sie 16 Männer interviewt, darunter den Chefredakteur des Zeit Magazins, Christoph Amend, den Juso-Vorsitzenden Kevin Kühnert und den Politikwissenschaftler Werner Patzelt sowie ihren Vater.
Tatsächlich fragt sie zum Einstieg jeden einzelnen Interviewpartner, ob er sich für einen alten weißen Mann halte. Dann philosophieren die Männer erst einmal darüber, ob sie jetzt wirklich alt oder eher mittelalt sind. Der Modeblogger Carl Jakob Haupt wirft ein, dass er ja gar nicht weiß sondern – haha – braun gebrannt sei. Mit der plumpen Idee loszumaschieren, es gebe einen Prototypen „alter weißer Mann“, und diesen Typus erfüllt dann eigentlich keiner, weil er sich noch innerlich jung, sportlich oder braun gebrannt fühlt, ist an Bräsigkeit kaum zu überbieten. Und so zieht es sich durch das ganze Buch. Kaum Erkenntnisse, kaum Subversives, stattdessen nette Plaudereien am laufenden Band, die nicht wehtun und die für ein dem Thema Feminismus weniger zugewandtes Publikum wahrscheinlich auch unterhaltsam sind.
Ratlose Palaverstunde mit Herrenbesuch
Dass sich das ganze Buch wie eine höfliche Palaverstunde liest, ist vielleicht auch ein bisschen der Weltansicht Passmanns geschuldet. Sie erkenne einen alten weißen Mann: Das behauptet Passmann an der ein oder anderen Stelle in ihrem Buch, ohne jemals richtig transparent zu machen, welches Konzept sie denn meint, wenn sie einen Terminus wie „alter weißer Mann“ benutzt. Peter Tauber (CDU) beispielsweise möchte den Begriff positiv belegen: „Der Weihnachtsmann wird ja nicht umsonst als alter weißer Mann dargestellt, und den assoziieren wir ja sehr positiv.“
Passman stellt sich wohl auf der einen Seite jemanden wie William Foster (Michael Douglas) im Film „Falling Down“ vor, der sich komplett in seiner toxischen Maskulinität verfängt, gewalttätig wird und ganz viel schlimmen Schaden anrichtet. Und auf der anderen Seite eben die Unauffälligen, die vielleicht auch Einsichtigen, die vielleicht auch Verbündeten.
Ein bisschen ratlos bewegt sie sich dann auch durch die Interviews, lässt sich – so ist es auch gedacht – von den verschiedenen Männern ihr jeweiliges Feminismus- oder Geschlechterungerechtigskeits-Verständnis erklären und verpackt dies in kleine Geschichten. Handwerklich ist das meistens solide und keck erzählt, dafür ist Passmann bekannt. Aber der Informationsgehalt ist so mau, dass sich die Mittagsplauschereien eher öde lesen.
Zudem ist es fast absurd, die Gesprächspartner um ihre Meinung zu patriarchalen Missständen zu befragen, da die Befragten davon zumeist so viel Ahnung haben wie von professioneller Teppichreinigung oder Tennisrasenbeschaffenheit. So sieht Ex-Bild-Chefredakteur Kai Diekmann keinen Nachholbedarf darin, Gleichberechtigung herzustellen: „Das wird sich einfach demografisch rauswachsen“, sagt er. Merke: Interessiert sein heißt nicht automatisch informiert sein – vor allem dann nicht, wenn Interviewpartner nachgewiesenermaßen ein eher marginales Interesse an feministischem Aktivismus haben.
Es spricht: Mann, weiß, prominent
In den Gesprächen wird dann ganz viel White-Male-Versteherei praktiziert, so wie es tagtäglich Usus ist in einer patriarchalen und rassistischen Gesellschaft – was anderes kann das Setting der ganzen Interviews auch nicht hergeben: Über ein dutzend Mal höfliches Geplänkel zweier weißer Angehöriger des Bürgertums, dazu gibt es Riesling oder Schorle oder vornehme Pommes in einem Restaurant der gehobenen Klasse. Das Aufregendste ist vielleicht mal eine hochgezogene Augenbraue oder zusammengepresste Lippen, wenn Diekmann behauptet, es gebe inzwischen „ein breites Publikum […], für das Gleichberechtigung völlig selbstverständlich ist“.
Ganz viel geht es um gefühlte Ungerechtigkeiten oder gefühlte gesellschaftliche Fortschritte, kurzum: Larmoyantes, Ich-zentriertes und teilweise drolliges Geschwafel, dass die extralangweilige Dosis aus Unwissenheit und „eigentlich wollen alle ja nur dasselbe“ vereint. Frech ist an diesem Buch nichts, außer vielleicht, dass es nun eben existiert.
Es mutet zudem seltsam, wenn nicht gar absurd an, wenn man Männern wie Welt-Chefredakteur Ulf Poschardt oder Werner Patzelt mal wieder eine Bühne bietet, es aber andererseits auch konsequent schafft, auf knapp 300 Seiten nicht eine einzige Feministin namentlich zu erwähnen. Lediglich ein Zitat der australischen Comedian Hannah Gadsby ziert den Beginn des Buches. Darin sagt sie, dass es keinen Sexismus gegen Männer gebe, nur weil der Ausdruck „straight white men“ (deutsch heterosexuelle weiße Männer) existiere. Das Zitat bleibt dort einsam wie ein leeres Versprechen stehen.
Ansonsten werden hier und da (Netz-)Feminist_innen erwähnt. Manche von ihnen schätzt Passmann anscheinend, andere nicht so sehr, aber von wem da jetzt die Rede ist bleibt genauso nebulös wie der Prototyp des weißen Mannes, dem zumindest die Chance gegeben wird, sich wortreich zu irgendwelchen Themen zu erklären. Sollte es doch eigentlich um gesellschaftliche Ungerechtigkeiten gehen, sprechen stattdessen die, die von all diesen Macht- und Gewaltstrukturen tagtäglich profitieren, vor allem weil sie nachgewiesenermaßen prominent, erfolgreich und finanziell bevorteilt sind.
Nichts Subversives, bloß Unterhaltung
Zwischendurch ist man aus Verzweiflung geneigt, irgendwas Subversives oder Entlarvendes in diesem Werk finden zu wollen, doch es gelingt nicht. Stattdessen ist man in einem reaktionären Plauder-Interview-Essay-Band einer privilegierten jungen weißen Frau gefangen, die irgendwo zwischen dem halb begeisterten Feminismus für Anfänger_innen, Männerversteherei und der Bagatellisierung gesellschaftlicher Missstände operiert. Geschlichtet wird auch nirgends, denn es wird ja auch an keiner Stelle wirklich scharf diskutiert oder gestritten.
Das interessanteste Gespräch führt Passmann mit ihrem eigenen Vater in einem Steakhaus. Hier erzählt sie auch ein bisschen was von der Welt, aus der sie kommt: Adventsbälle in der Villa der Studentenverbindung ihres Vaters, Standesdünkel – Freizeitbeschäftigung also, die wahrscheinlich mit Status und Wohlstand zu tun hat und die für Passmann, so beschreibt sie es, im Laufe der Jahre immer mehr an Reiz verlor – vor allem, seit sie selbst angefangen habe sich mit Feminismus zu beschäftigen.
Hier möchte man gerne weiterlesen, weil man tatsächlich das erste Mal das Gefühl hat, hier wagt sich nun wirklich jemand an eine aufrichtige Anthropologie weißer, privilegierter Menschen und das Unbehagen, zu genau dieser Gesellschaftsschicht zu gehören. Doch das passiert leider nicht, denn die streng getakteten höflichen Gespräche werden einem wie Häppchen um die Ohren geworfen. Ja, der ein oder andere Gedanke von Passmann ist mit Sicherheit unterhaltsam, aber tatsächlich ist das Gesamtwerk inhaltlich so wenig gelungen, dass man sich am Ende natürlich doch dieselbe Frage stellen muss wie die Autorin auf Seite 80: „Wieso dieses Buch?“
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