Plastikmüll in Glasgow: Überall der gleiche Müll
Wenigstens eine Klimakonferenz sollte so organisiert sein, dass man der klimaneutralen Welt näher kommt. Aber wer genau hin guckt, wird enttäuscht.
E s mag eine naive Vorstellung sein, aber ich hoffe ja immer, dass auf einer Klimakonferenz die Dinge schon jetzt so organisiert werden, wie es in Zukunft überall nötig sein wird, um die klimaverträgliche Welt zu erreichen. In mancher Hinsicht stimmt das auch: Die Elektrobusse, mit denen die Teilnehmer*innen im Fünf-Minuten-Takt zur Konferenz gefahren werden, vermitteln einen guten Eindruck davon, wie der Verkehr der Zukunft aussehen könnte. Bisher gibt es davon in Glasgow zwar erst 22 Stück, aber bis zum übernächsten Jahr soll die Flotte auf 130 anwachsen, so dass hier jeder zweite Bus elektrisch unterwegs sein wird.
Auch die Abfallvermeidung sieht auf den ersten Blick nicht schlecht aus. Jede*r Teilnehmer*in bekommt im Begrüßungspakte eine Trinkflasche zum Wiederbefüllen. Kaffee und Tee werden in Mehrwegbechern ausgeschenkt. Und für den Müll stehen überall fünf verschiedene Behälter bereit.
Beim zweiten Blick kommen dagegen schon Fragen auf: Sind Aluminiumflaschen, selbst wenn sie laut Hersteller aus Recycling-Material bestehen, wirklich eine umweltfreundliche Lösung – zumal das Nachfüllen nicht aus der Leitung geschieht, sondern aus großen Plastikbehältern? Warum wird das Essen nicht auf Mehrweggeschirr serviert, sondern in Pappschachteln, die dafür sorgen, dass die Restaurants auf der COP stark an McDonald’s erinnern? Und wie soll Abfall sinnvoll wiederverwendet werden, wenn Essensreste und ihre Verpackung in den gleichen Behälter geworfen werden sollen?
Beim dritten Blick wird klar, dass das Recycling bei der COP genauso schlecht funktioniert wie überall sonst. Viele Teilnehmer*innen scheinen damit überfordert zu sein, ihren Abfall in den richtigen Behälter zu werfen. Und selbst dort, wo es gelingt, nutzt das offenbar nicht viel.
Den Veranstalter*innen fällt dazu nicht viel ein
Denn wenn man dem Müll bis zu den großen Containern folgt, die außerhalb der Veranstaltungszelte stehen, wird deutlich, dass ein großer Teil des drinnen getrennten Mülls am Ende doch wieder als „General Waste“ entsorgt wird. Und anders als manch andere Müllprobleme, mit denen Glasgow sich derzeit herumschlägt, scheint das nicht am Streik zu liegen, zu dem die Gewerkschaft der Müllwerker*innen aufgerufen hat.
Enttäuschend ist auch der Umgang der Veranstalter*innen mit Fragen zu diesem Widerspruch: Sie werden schlicht nicht beantwortet. Stattdessen kommt per Mail ein Zitat einer „Spokesperson“, die betont: „Nachhaltigkeit wird im Zentrum der COP26 stehen.“
Ansonsten setzt man auch bei der Klimakonerenz auf eine Kompensation der entstehenden CO2-Emissionen durch die Finanzierung von Klimaschutzmaßnahmen an anderer Stelle – also exakt jene Form von „Offsetting“, die viele Klimaschützer*innen als „Greenwashing“ kritisieren. Nicht nur in den offiziellen Beschlüssen, sondern auch in der Praxis ist der Weg zu echter Klimaneutralität bei der COP also noch weit.
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