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Plantagenarbeiter in BrasilienPflücken mit Spinnen und Schlangen

Deutschland ist Weltmeister im Fruchtsaft-Trinken. Für die Menschen, die die Zitrusfrüchte pflücken, gehört Ausbeutung zum Alltag.

Süße Früchte, harte Arbeit. Bild: ap

BERLIN taz | Was bei Edeka, Rewe, Lidl und Aldi im Fruchtsaft-Regal steht, wird meist von brasilianischen Arbeitern unter prekären Bedingungen erwirtschaftet. Das zeigt eine am Dienstag veröffentlichte Studie von Verdi und der Christlichen Initiative Romero (CIR). In der gesamten Produktions- und Lieferkette „wird unter extremem Druck und ohne angemessene Schutzvorkehrungen gearbeitet“, sagt Sandra Dusch von CIR. Ausbeutung zu Hungerlöhnen sei Alltag auf den Plantagen und in den Saftfabriken.

Deutschland ist Fruchtsaft-Weltmeister und größter Abnehmer von Orangensaft aus Brasilien. Dort werden Erntehelfer schlecht bezahlt und pflücken mit unzureichender Schutzbekleidung vor Chemikalien, giftigen Spinnen und Schlangen im Akkord. Viele würden dabei verunglücken, heißt es in der Untersuchung.

Außerdem führten die auf den Plantagen „allgegenwärtigen Pestizide“ zu schleichend verlaufenden Erkrankungen. Wie viele Menschen verletzt würden, sei unklar, weil sich niemand traue zu reden, heißt es in der Studie. CIR und Verdi dokumentieren einen Fall, bei dem acht Arbeiterinnen nach Vergiftungen das Krankenhaus wieder verließen, nachdem der Arbeitgeber mit ihnen gesprochen hatte.

Der Großteil der Arbeiter bekomme nur Saisonverträge. In der Region São Paulo etwa sei rund ein Fünftel der Arbeitskräfte festangestellt. Auch in den Fabriken, die Saftkonzentrat produzieren, arbeiteten die Beschäftigten unter „extremen Bedingungen“. Es sei sehr laut und heiß. Frauen würden meist nicht fest angestellt oder entlassen, wenn sie schwanger seien.

Die Produktion von Orangensaft ist in den Händen von wenigen Konzernen: Obwohl die Hälfte des weltweit konsumierten Orangensaftes aus Brasilien stamme, betreiben gerade mal drei Großkonzerne Orangenanbau und Konzentratgewinnung.

In den Importländern wie etwa Deutschland würden sich die schlechten Bedingungen für Arbeitnehmer fortsetzen, heißt es in der Untersuchung. Laut der Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten (NGG) herrschten durch den "Preisdruck" großer Supermarkt-Ketten bei vielen Abfüllunternehmen unsichere Arbeitsbedingungen. Es gebe kaum noch Festanstellungen, der Arbeitsdruck sei enorm, nur wenige der Beschäftigten bekämen einen Tariflohn, heißt es es in der Studie.

Mit der Untersuchung wollen CIR und Gewerkschaften auch auf die deutschen Handelsriesen Druck machen. Edeka, Rewe, Lidl/Kaufland und Aldi vereinigen 85 Prozent Marktanteil auf sich – und diktieren damit indirekt die Arbeitsbedingungen von Millionen Beschäftigten. „In Deutschland alarmiert insbesondere die verstärkte Verantwortungsflucht der tarifgebundenen Unternehmen Edeka und Rewe““, sagt Stefanie Nutzenberger, Verdi-Bundesvorstandsmitglied und Leiterin des Fachbereichs Handel.

Bei den Supermarktketten würden die Arbeitsbedingungen für Beschäftigte immer schlechter, hieß es in der Studie. „Prekäre, nicht auskömmliche Beschäftigung, hohe Fluktuation, Ablehnung oder Erschwerung der betrieblichen Mitbestimmung und sehr hoher Arbeitsdruck sind mittlerweile häufig im Lebensmittel-Einzelhandel an der Tagesordnung.“

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5 Kommentare

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  • AC
    Anna Conda

    Die fairste Lösung? Bio-Orangen kaufen und selber pressen. Ist das wirklich zu viel verlangt?

  • Orangensaft wird völlig überbewertet!

  • Erinnert mich irgenwie an Day-o von Harry Belafonte mit der Furcht vor der Spinne. Mensch, kein Stück weitergekommen !

  • R
    rehl

    Wie kann man die Arbeitet schützen? Verzicht, Bio-Orangensaft oder muss es gleich der tiefe Griff in die Tasche für die Fairtrade-Variante sein?

    • @rehl:

      "Wie kann man die Arbeitet schützen?"

       

      Indem die Arbeit im Sinne der Arbeitenden organisiert wird.

      Indem weniger Arbeitskraft aus jedem einzelnen Mitarbeiter rausgepresst wird.

       

      Geht aber leider in der allgemein akzeptierten Wirtschaftsordung nicht, da immer irgend jemand billiger produziert, und der Laden dann dicht machen kann. Fairtrade läuft leider letztlich auch darauf hinaus.