: Planet Rock
Instanzen des HipHop: Afrika Bambaataa, Prince Paul und Tony Touch gratulieren am Freitag im Phonodrome dem Tommy Boy-Label zum 20. Jubiläum ■ Von Alexander Diehl
1977 zog sich nicht nur der King von Memphis drastisch aus dem öffentlichen Leben zurück, und erblickten etliche Angehörige der nächsten Generation des hamburgischen HipHop das sprichwörtliche Licht der Welt. 1977 hatte sich der 17-jährige New Yorker Kevin Donovan bereits zwei Jahre zuvor von seiner Gang in der Bronx getrennt, nachdem sein bester Freund von später freigesprochenen Polizisten erschossen worden war. Ab Mitte der 70er Jahre waren unorthodoxer Plattenspieler-Gebrauch, Sprechgesang und Breakdance in die Bronx gekommen, und als Donovan, den die Welt als Afrika Bambaataa kennen lernen sollte, zum High School-Abschluss von seiner Mutter ein Sound-System bekam, schien der Gang der Dinge vorgezeichnet. Bereits seit seiner Kindheit in den frühen 60ern hatte er die Idee einer stolzen, kampfbereiten Truppe, und so wurde aus einer Crew seiner Schulzeit schließlich die Zulu Nation – deren Kämpfe freilich unblutige waren.
Die Zulu-Parties, deren Eckpunkte schwarze Musikgeschichte (in Form von James Brown) und elektronischer Futurismus (Kraftwerk) geheißen haben mögen, wurden der Renner in der Bronx. Bambaataas DJ-Sets waren eklektische Zusammenstellungen aus TV-Melodien und aneinander gekitteten Funk-Breakbeats, afrikanischer Rootsmusik und aufkommendem Drumcomputer-Pop; mögen auch andere Protagonisten des frühen HipHop innovativer oder sortenreiner aufgelegt haben: In seiner mehrfachen Funktion als Produzent und DJ, Arrangeur und helfende Hand ist Bambaataa unerreicht geblieben. Mit der Soul Sonic Force veröffentlichte er 1982 – und damit nicht in der ersten Reihe derjenigen, die von der Live-Performance und dem Tape zur professionellen (und kostspieligen) Schallplatte wechselten – eines der legendärsten HipHop-Stücke überhaupt: „Planet Rock“, erschienen auf dem Tommy Boy-Label, das für einige Jahre eminent wichtig für das Genre werden sollte. Hier wurden klassische Alben von Stetsasonic und Jonzun Crew, von Public Enemy, De La Soul oder auch House of Pain veröffentlicht.
In großzügiger Auslegung feiert Tommy Boy, mancher Quelle zufolge bereits 1979 aktiv, derzeit sein 20. Jubiläum. Als eine von drei deutschen Stationen kommt Hamburg dabei in den Genuss großer Gäste: Neben Bambaataa sind die insbesondere als Produzenten/DJs in Erscheinung getretenen Tony Touch und Prince Paul unterwegs. Letztgenannter begann als DJ für besagte Stetsasonic, die in der zweiten Hälfte der 80er als einer der Auswege aus der musikalischen Stagnation des HipHop galten: Statt immergleichem Beat Box-Sound setzten sie auf ihrem zweiten Album In Full Gear, die erschwinglich gewordene Technik machte es möglich, in ungewohnter Weise auf Samples, insbesondere aus dem Jazz. Wurden sie darin auch recht schnell überrundet – ein Markenzeichen des Prinzen blieb das unkonventionelle Sich-Bedienen in Musiken, die mit dem Repertoire so genannt schwarzer Musikgeschichte nicht immer zu tun haben musste. In die Geschichte trug er sich spätestens ein, als Ende der 80er die von ihm produzierten Vertreter des Native Tongues Movement, De La Soul, Peace-Zeichen und weite Kleidung wider die eindimensionale Gangsterwerdung des Genres ins Feld führten: Ihr Entwurf des „Daisy Age“ war, flankiert von (kurzfristig) erhöhter Aufmerksamkeit für weibliche Rapper, ein Entwicklungsschub im HipHop.
Tony Touch schließlich ist, wenn man so will, für die jüngste Generation im Tommy Boy-Stall am Start. Seit 1991 macht sich der Booklyner einen guten Namen als Battle-DJ und Mixtape-Größe, arbeitet aber auch als MC, u.a. mit Cypress Hills DJ Muggs. Vielleicht ist er ja derjenige im exquisiten Programm dieses Abends, der vom alten Glanz des Hauses Tommy Boy in die Zukunft rettet?
Freitag, 22 Uhr, Phonodrome. Zuvor sind Bambaataa, Paul und Touch zu Gast bei Back to the Basics auf FSK: 17–19 Uhr, 93,0/101,4 MHz
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