Plakatkampagne des Heimatministeriums: Ein unmoralisches Angebot
Mit einem Plakat erklärt das Heimatministerium seinen Namen. Jeder sei in seiner Heimat besser aufgehoben – vor allem Geflüchtete.
Was wie ein grandioses Angebot klingt, ist das seit Mitte September laufende Bundesprogramm zur „Reintegrationsunterstützung im Bereich Wohnen“. Diese Unterstützung wird nicht nur russischsprachigen Menschen geboten, sondern kann theoretisch für 45 Herkunftsländer geltend gemacht werden. Die meisten russischsprachigen Menschen, die heute in Deutschland leben, kamen Anfang der 1990er als sogenannte Russlanddeutsche oder jüdische Kontingentgeflüchtete. Die sollen jetzt zurück? Ein Anruf bei der zuständigen Beratungsstelle der Internationalen Organisation für Migration (IOM) in Berlin: „Meine Eltern sind Russlanddeutsche. Kann ich jetzt Wohngeld beantragen und zurückkehren?“ Antwort: „Nein, das gilt nicht für normale Leute, nur für Flüchtlinge!“
„Nicht-normale“ Menschen, damit gemeint sind Asylbewerber*innen vor Abschluss des Asylverfahrens, Menschen, deren Asylantrag abgelehnt wurde und die sich innerhalb der gegebenen Ausreisefrist für eine freiwillige Rückkehr entscheiden oder Menschen, die nach deutschem Recht eigentlich schutzbedürftig sind, aber dennoch in ihr Herkunftsland zurückkehren.
In der Such-Eingabemaske des Informationsportals des Bundes zur freiwilligen Rückkehr werden als Rückkehrländer vorgeschlagen: „z. B. Albanien, Irak, Kosovo“. Pro forma kann man auch auf Belgien oder Frankreich klicken, um dann darüber informiert zu werden, das EU-Bürger*innen von den Unterstützungen ausgeschlossen sind.
Minen-Workshop
Das Portal ist im Gegensatz zur Plakatkampagne nicht neu. Seit Mai 2017 werden hier vom Bamf unterschiedliche „humanitäre Hilfsprogramme“ zur „Förderung der freiwilligen Rückkehr oder Weiterwanderung und Steuerung von Migrationsbewegungen“ vorgestellt. Detailliert wird aufgelistet, wer Anspruch auf wie viel „Starthilfe“ hat. So können Bus- und Flugtickets oder Benzinkosten in Höhe von 250 Euro pro ausreisendem Pkw übernommen werden. Vorausgesetzt natürlich, dass die notwendigen Mittel weder von den Ausreisenden selbst noch durch unterhaltspflichtige Angehörige aufgebracht werden können.
Bei wie vielen Menschen überhaupt Geld ankommen kann, ist fraglich. Dafür gibt es das zusätzliche Angebot „bedarfsorientierter Schulungen“, wie etwa den Workshop „Post-War Pioneers – Heimat statt Migration“, bei dem rückkehrwillige Migrant*innen schon in Deutschland zu „Wiederaufbauhelfern“ mit dem Schwerpunkt „Gefahren durch explosive Kriegsreste“ ausgebildet werden.
Plakat des Heimatministeriums
Zurück zur „Reintegrationsunterstützung im Bereich Wohnen“. Auch diese entpuppt sich bei genauem Nachlesen als ziemlich mieses Angebot. Maximal 3.000 Euro soll es für Familien und 1.000 Euro für Einzelpersonen in Form von Sachleistungen geben. Das soll dann für „Miete, Bau- und Renovierungsarbeiten“ reichen, heißt es auf der Website. Denn auch das Versprechen von „bis zu 12 Monaten“ ist missverständlich.
Es handle sich um die Höchstbeträge, die aber aufgesplittet über einen Zeitraum von einem Jahr ausgezahlt werden können, erklärte ein Mitarbeiter der Bamf-Rückkehrhotline am Telefon. Die erste Auszahlung kann in Deutschland direkt am Flughafen erfolgen, alles Weitere muss dann mit der IOM vor Ort abgestimmt werden. Im Gegenzug sollen die freiwilligen Rückkehrer*innen unterschreiben, dass sie auf die Fortsetzung des aktuellen Asylverfahrens, den Schutzstatus sowie auf weitere Rechtsmittel verzichten. Und sollten sie sich, zwischen Minen und Ruinen lebend, überlegen, doch nach Deutschland zurückzukommen, müssen alle erhaltenen Unterstützungsgelder vollständig zurückgezahlt werden.
Das also versteht der Bund unter „Bekämpfung von Fluchtursachen“.
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