Plakataktion für islamistische Jugendliche: "Wir erkennen ihn nicht mehr“
Die Regierung startet eine Kampagne für Angehörige von Jugendlichen, die in den Islamismus abdriften. Die FDP meint, man verschwende Steuergelder.
BERLIN taz | Bundesinnenminister Hans Peter Friedrich (CSU) will mit einer groß angelegten Plakataktion auf eine Beratungshotline für Angehörige von in den Islamismus abdriftenden Jugendlichen aufmerksam machen. Von Mitte September an soll in Berlin, Hamburg und Bonn eine fiktive Vermisstenanzeige plakatiert werden. In weiteren Städten sollen die Motive als Postkarten in Gaststätten ausliegen. Auf Facebook startet die Kampagne schon Montag.
Abgebildet sind junge Männer und Frauen, die Namen wie Ahmad, Fatima, Hassan oder Tim tragen. Dazu steht ein Text: „Wir vermissen ihn, denn wir erkennen ihn nicht mehr. Er zieht sich immer mehr zurück und wird jeden Tag radikaler. Wir haben Angst, ihn ganz zu verlieren – an religiöse Fanatiker und Terrorgruppen.“ Es folgt die Telefonnummer der „Beratungsstelle Radikalisierung“.
Gestartet worden ist diese beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge angesiedelte Stelle bereits Anfang des Jahres. Seitdem hätten sich dort rund 20 Betroffene gemeldet, sagte eine Vertreterin des Innenministeriums bei der Vorstellung der Plakate am Freitag in Berlin.
Kritik und Anlaufschwierigkeiten
In den meisten Fällen seien es Eltern oder Freunde von konvertierten Deutschen gewesen, die sich etwa Sorgen machten, ihr Kind könne ins afghanisch-pakistanische Grenzgebiet auswandern und sich dort militanten Islamisten anschließen.
Um mehr Migranten zu erreichen, sollen die Plakate nun vor allem in Vierteln mit einem hohen Einwandereranteil aufgehängt werden, etwa in den Berliner Stadtteilen Kreuzberg und Neukölln oder dem Hamburger Stadtteil St. Georg. Die Plakate werden auch auf Türkisch und Arabisch veröffentlicht.
Doch hier gibt es offenbar noch Anlaufschwierigkeiten bei der insgesamt rund 300.000 Euro teuren Kampagne. Bei der Vorstellung der Plakate am Freitag machte ein Redakteur der türkischen Zeitung Hürriyet auf einen Fehler aufmerksam: „Hier fehlt ein i.“
Grundsätzliche Bauchschmerzen mit der Kampagne hat der Koalitionspartner der Union, die FDP. „Hier werden Steuermittel vergeudet und Ressentiments geschürt“, sagt der integrationspolitische Sprecher der FDP im Bundestag, Serkan Tören. Die Plakate nährten Vorurteile und rückten den Islam insgesamt in die Nähe des Terrorismus.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“