Plagiierender Vattenfall-Manager: Der neue Titelhandel
Das Promotionswesen hat systematische Schwachstellen. Wenn Geld ins Spiel kommt, werden sie besonders gut sichtbar.
E s sind nicht nur die verschwiegenen Ghostwriter oder die schmierigen Promotionsberater, die eitle Karrieristen über ausländische Scheinuniversitäten mit dem gewünschten Titel versorgen.
Inzwischen unterminieren auch die Hochschulen fleißig den Wert der Promotion hierzulande: Auch ihre Abhängigkeit von privatem Geld lässt sie anfällig werden für zwielichtige Doktorarbeiten. Das legt der Fall aus Cottbus nahe, wo ein Manager des Energiekonzerns Vattenfall mit wohl eher dürftigen Leistungen den Titel bekam. Dasselbe Unternehmen finanziert die Forschungen der Hochschule.
Es hat sich herumgesprochen: Das Promotionswesen hat Schwachstellen, die Interessenkonflikte geradezu heraufbeschwören, vor allem dann, wenn Geld ins Spiel kommt. Die Betreuung und Bewertung einer Promotion liegen oft in der Hand desselben Professors.
ist Bildungsredakteur der taz.
Eine Universität, die etwa mit dem Unternehmen ihres prominenten Doktoranden geschäftlich oder sonst wie verbändelt ist, sollte die Benotung einer Dissertation von vornherein besser einem unabhängigen Gutachter von außen überlassen – oder das Ansinnen des Titelhungrigen zurückweisen. Es bräuchte endlich Standards für solche Fälle. Leider halten viele Hochschulen es bisher nicht einmal für nötig nachzuhalten, wer überhaupt bei ihnen promoviert.
Diese Nachlässigkeiten kommen der Titelgeilheit der Wirtschaftselite entgegen. Viele Konzernlenker meinen, auf die zwei Buchstaben vor dem Namen nicht verzichten zu können – obwohl diese nichts über ihr Können im Job aussagen, sondern allenfalls über die Forscherqualitäten.
Man muss diesen Narzissmus nicht hofieren, indem man jeden Promovierten sachgrundlos als Doktor anredet. Es braucht endlich mehr Alltagsignoranz gegenüber Titeln – und mehr Wachsamkeit bei den Universitäten.
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