Pläne der Bundesregierung: Weniger Spielraum für Jobcenter
Den Dschungel der Massnahmen zu lichten - das ist das Ziel der Reform der "arbeitsmarktpolitischen Instrumente". Gemeinden, die Arbeitslose in Eigenregie betreuen, protestieren dagegen.
Jeannine Wassmuth verkörpert das, wovon Arbeitsvermittler in den Jobcentern träumen: Hartz-IV-Empfängerin war sie, alleinerziehend, ohne Hauptschulabschluss - doch jetzt kann sie mit ihrer Arbeit sich und die beiden Söhne ernähren. "Ich bin weg von Hartz IV", sagt die 33-Jährige, die jetzt einen Berufsabschluss als Hauswirtschafterin hat, stolz. Ihre Fallmanagerin im Jobcenter im hessischen Main-Kinzig-Kreis hat ihr geholfen. Von dort kommt jetzt heftiger Widerstand gegen Reformpläne der Bundesregierung.
Ein Fall wie Jeannine Wassmuth wäre nicht mehr so ohne Weiteres möglich, wenn zum 1. Januar das "Gesetz zur Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente" in Kraft tritt, das der Bundestag am 5. Dezember beschließen will. Dies behauptet Erich Pipa, SPD-Landrat im Main-Kinzig-Kreis, der Wassmuth extra zum Pressetermin nach Berlin gebeten hat. Sie soll den Journalisten zeigen, wie die Arbeitsmarktpolitik "nahe am Menschen" aussieht.
Das neue Gesetz bedeute mehr zentrale Steuerung der Jobförderung durch die Bundesagentur für Arbeit und damit für viele Maßnahmen "den Todesstoß", meint Pipa. Laut Bundesarbeitsministerium soll mit dem neuen Gesetz nur der Dschungel an Fördermaßnahmen in den Jobcentern gelichtet und "Wildwuchs" bei den Maßnahmen beschnitten werden.
Bislang gibt es jedoch einen großzügigen Paragraphen 16 Absatz 2 im Sozialgesetzbuch II, der den Jobcentern einräumt, Geld für "sonstige weitere Leistungen" ausgeben zu können, auch ohne dass diese Maßnahmen von der Bundesagentur für Arbeit standardisiert und überwacht werden. 30 Prozent aller Maßnahmen im Sozialgesetzbuch II erfolgten bisher über diese sonstigen Leistungen, sagt Pipa. Der Paragraph wird in dieser Form gestrichen.
Stattdessen gibt es künftig nur noch einen "Experimentiertopf" von 2 Prozent des Eingliederungsbudgets für die sogenannte "freie Förderung". Dabei ginge es aber nicht um Einsparungen, betont eine Sprecherin des Bundesarbeitsministeriums auf Nachfrage der taz. "In jedem einzelnen Fall, in dem früher gefördert wurde, wird das auch nach den neuen Regelungen möglich sein, wenn auch vielleicht aus anderen Töpfen", sagt die Sprecherin.
Der Widerstand gegen die neue regionale Unfreiheit und Standardisierung kommt daher vor allem von den sogenannten "Optionskommunen". Das sind die 69 Städte und Landkreise, die in Eigenregie in den Jobcentern ihre Langzeitarbeitslosen betreuen und sich nun nicht dem Diktat der Bundesagentur für Arbeit unterwerfen wollen. Auch der Main-Kinzig-Kreis ist eine solche Optionskommune.
Bei der Koordinierungsstelle gewerkschaftlicher Arbeitslosengruppen rügt man am neuen Gesetz allerdings weniger die Standardisierung. Die geplanten Neuregelungen gingen vielmehr "völlig an den dringlichsten Problemen vorbei", meint Martin Künkler von der Koordinierungsstelle. So müssten die 1-Euro-Jobs in ihrer heutigen Form abgeschafft und in reguläre Arbeitsverhältnisse umgewandelt werden. Eine Evaluation des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsbildung kam kürzlich zu dem Schluss, dass 1-Euro-Jobs gerade für die unter 25-Jährigen die Beschäftigungschancen auf dem Arbeitsmarkt nicht erhöhen.
Mit dem neuen Gesetz werden die bisherigen ABM abgeschafft, deren Zahl sich bereits stark verringert hat. Auch die Personalserviceagenturen, eine Art Leiharbeit via Jobcenter, soll es nicht mehr geben. Die "Jobrotation", bei der ein Beschäftigter in eine Weiterbildung wechselte, während ein Erwerbsloser zeitweise auf die Stelle rutschte, wird gleichfalls nicht mehr gefördert.
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