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Plädoyer für VerlageJa, manche sind räuberisch

Sie tun wenig für Autoren und wollen nur deren Geld. Und einen Bestseller. Warum Verleger dennoch zu Unrecht am Pranger stehen.

Das Buch als Event: Lesung von Sebastian Fitzek Foto: dpa

BERLIN taz | Verlage sind nervig. Da hat ein Autor eine wunderschöne Novelle verfasst, hat sie sich abgerungen über Monate, und nun kommt der Verlag – wenn denn überhaupt einer interessiert ist – mit Verträgen, will an Rechten beteiligt werden, verwirrt mit Änderungswünschen, erwartet einen anderen Titel, moniert den Umfang und so weiter und so fort.

Manche Verlage sind auch betrügerisch. Da hat eine Autorin jahrelang an ihrer Dissertation gearbeitet, und nun will der wissenschaftliche Verlag eine Unmenge institutioneller Gelder oder gar Unsummen von der Autorin selbst, kümmert sich im Gegenzug aber weder um das Lektorat noch um das Satzbild; all das muss die Autorin zusätzlich bezahlen. Der Verlag verlangt dann am Ende 99 Euro für ein schmales Buch, an dessen Erträgen die Autorin nicht beteiligt ist.

Manche Zeitungsverlage wol­len die Rechte an den Texten gleich ganz von den Urhebern übertragen wissen, Texte, für die sie wenig Zeilengeld zahlen, und das nur einmalig. Dann haben sie das Vervielfältigungsrecht – sollte der Autor den Text noch einmal nutzen wollen, in einem Buch etwa, muss er den Zeitungsverlag um die Abdruckrechte bitten und eventuell dafür bezahlen. Manche Belletristikverlage schließlich lassen sich ebenfalls für alles bezahlen, tun aber nichts für das Buch, buchstäblich nichts. Und manche Verlage sehen eine Autorin einfach nur als roboterhafte Dienstleisterin für „Content“, das Buch betrachten sie als Ware, Literatur, Wissenschaft, Kultur, all das ist ihnen schnuppe.

Kurz: Als Autor wünscht man sich manchmal, es gäbe überhaupt keine Verlage. Allerdings – die oben aufgezählten Hässlichkeiten sind nicht immer üblich, ganz im Gegenteil. Eine Mehrheit der im deutschen Sprachraum tätigen Verlage fühlt sich diversen ausgesprochenen und unausgesprochenen Standards verpflichtet. Und das heißt, dass sie sich sehr wohl um das Lektorat kümmern, dass sie mit den Urhebern gemeinsam Texte und Anthologiekonzepte entwickeln, dass sie die Textarbeit betreuen, dass sie bei Schreibkrisen eines Autors auch in der Nacht erreichbar sind. Es heißt, dass sie in Satzbild und Werbung ­investieren und sich für ihre Bücher eine Bresche schlagen.

Diese guten Verlage stehen seit einiger Zeit mit am Pranger, wenn es gegen die üblen geht, und es trifft sie härter als die anderen. So mussten sich die Verlage in der Debatte über die Vergütungsregelungen der VG Wort von einigen Autorinnen und Autoren anhören, das sie räuberisch seien. Dabei, die taz berichtete, ging es um eine Verbandspraxis, die jahrzehntelang ohne Beschwerden betrieben wurde, aber leider nicht rechtens war.

Kulturschaffende halten Selbstenteignung selbst für fair

Auch bei Fragen des neuen Urheberrechts, wo es vor allem darum geht, die Rechte von Filmschaffenden zu stärken, wird so getan, als ginge es auch hier um blutsaugerische Verlagspraktiken. Zudem gibt es einen Konflikt mit den Bibliotheken, die meinen, man könne ein einmal erworbenes Buch beliebig oft auf den Scanner legen und den Studierenden auf einen Stick laden.

Leipzig für Deniz

Solidarisch: Buchmesse-Direktor Oliver Zille hat am Mittwoch erklärt: „Als Messe haben wir uns entschieden, alles zu unterstützen, was Solidarität mit den Autoren in der Türkei bedeutet.“

Appellierend: Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels appellierte an die Bundesregierung, sich nachhaltiger für die Freilassung des Welt-Journalisten Deniz Yücel und gegen die Verfolgung der türkischen Autorin Aslı Erdoğan einzusetzen.

Leserisch: Verschiedene Lesungen sollen mit Texten von Yücel eröffnet werden, teilte der Verbrecher Verlag mit: „Wir wollen an jedem Tag zeigen, dass man Deniz Yücel und all die anderen in der Türkei inhaftierten Journalistinnen und Journalisten nicht mundtot machen kann.“

Die oben beschriebenen Wissenschaftsverlage, die ihr Geschäft eh schon vor der Drucklegung gemacht haben, werden davon nicht getroffen, wohl aber andere Verlage und nicht zuletzt die Wissenschaftler, die keine Anbindung an Institutio­nen haben, nicht verbeamtet sind und also darauf angewiesen, vom Verkauf ihrer Bücher zu leben. Doch auch hier sieht – oft gegen ihre eigenen Interessen – manche Autorin und mancher Autor im Verlag schon wieder einen Vampir am Volkswissen saugen.

Nun ist zu diskutieren, ob Verlage subventioniert werden müssen, auch ist zu überlegen, ob eine Kulturflatrate hilfreich sein könnte, ja. Dennoch ist es merkwürdig, dass Subven­tio­nen, die an die Stahlindustrie gehen, nicht hinterfragt werden, ebenso würde nie jemand ernsthaft verlangen, dass Apple und Samsung ihre Soft- und Hardware vergesellschaften.

Kaum geht es aber um Kultur, so meint man, dass Kulturschaffende ihre Werke herzugeben haben, zum Wohle aller, kostenfrei. Und oft verlangen dies Kulturschaffende ebenso, da sie Selbstenteignung für fair halten. Interessanterweise gehen sie dennoch nur selten zum Selfpublishing über, sondern begeben sich mit ihren Manifesten und Romanen doch wieder in die Hände der vermeintlich erpresserischen Verlage.

So aber kann das, was man in Lateinamerika seit vielen Jahren Bibliodiversität nennt, nicht erhalten bleiben. Wenn man all die vielen Verlage, denen das Verlegen auch Selbstverpflichtung ist und die in einem Buch mehr sehen als nur eine Ware, nun auch unter Generalverdacht stellt und öffentlich anprangert, während man die Internetkonzerne, die Selfpublishing-Angebote unterbreiten, nie kritisch hinterfragt, ist diese Bibliodiversität in Gefahr, in der Übersetzungen aus den kleinen Sprachen und weniger beliebte Textformen, wie etwa Gedichte, genauso zur Literaturwelt gehören wie die siebzehnte Nachahmung der ­„Shades of Grey“-Schmonzetten, nein, sogar mehr.

Tatsächlich ist die Textwelt, in der Schreiben und Publikation, in der Verlage und Buchhandlungen eng miteinander verzahnt sind, gefährdet, wenn man vorschnell aburteilt und wegen einiger schwarzer Schafe gleich die ganze Herde niedermachen will. Und wie wir von der Biodiversität wissen – auch ohne ­Bibliodiversität gibt es keine ­literarische Zone mehr, für die sich noch zu schreiben lohnt.

Der Autor ist Journalist sowie Gründer und Leiter des kleinen Verbrecher Verlags in Berlin.

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