Piratenpartei in NRW: Die Schamesröte im Gesicht
Weil er ein Gutachten geheim hielt, will der Vorstand am liebsten im Boden versinken. Es wird geprüft, ob die Listenaufstellung wiederholt werden muss.
KÖLN taz | Die Piraten in Nordrhein-Westfalen lassen überprüfen, ob sie ihre Kandidatenliste für die Bundestagswahl neu aufstellen müssen. Damit sei die Rechtsabteilung des Bundesverbandes betraut worden, heißt es in einer jetzt veröffentlichten Stellungnahme. Allerdings gehe der Landesvorstand „weiterhin davon aus, dass die Ergebnisse der Aufstellungsversammlung nicht infrage stehen“. Trotzdem will er auch mit der Landeswahlleiterin in Kontakt treten.
Hintergrund ist ein vor wenigen Tagen bekannt gewordenes Rechtsgutachten, wonach die Ende Januar beschlossene Liste wegen nicht eingehaltener Einladungsfristen „verfahrensfehlerhaft“ aufgestellt wurde. Weil ihm das Ergebnis nicht passte, war die bereits am 22. Januar abgefasste juristische Expertise vom Landesvorstand der NRW-Piraten unter Verschluss gehalten worden. Was innerhalb der Piraten für heftige Empörung sorgt.
Das Gutachten vom 22. Januar sei „aufgrund unvollständiger Annahmen erstellt“ worden, rechtfertigt sich nun der Vorstand. Daher habe er es als sinnvoll angesehen, es „nicht vor der Aufstellungsversammlung zu veröffentlichen und ein weiteres Gutachten zu beauftragen“. Doch dazu ist es nicht gekommen: „Wir haben es als Landesvorstand in Gänze versäumt, im Nachgang dieses weitere Gutachten zu beauftragen.“ Das sei „im Tagesgeschäft untergegangen.“ Zerknirscht räumt der Landesvorsitzende Sven Sladek ein: „Natürlich ist uns das allen peinlich, und ich würde derzeit am liebsten vor Elend im Boden versinken.“
Bislang ist die Kandidatenliste nicht bei der Landeswahlleiterin eingereicht worden. Die Frist läuft erst am 15. Juli ab. Bis dahin könnte die Listenaufstellung wiederholt werden. Das empfiehlt der Parteienrechtler Martin Morlok. „Ich halte das Gutachten zur fehlenden Rechtmäßigkeit bei der Listenaufstellung für zutreffend“, sagte er dem Kölner Stadt-Anzeiger.
Zunächst steht allerdings Ende April die Neuwahl des Landesvorstands an. Sladek will nicht wieder antreten. Einen Rücktritt lehnt Sladek jedoch ab: „Wenn wir jetzt zurücktreten, schaden wir der Partei mehr als wenn wir jetzt kleinlaut und mit Schamesröte im Gesicht die drei Wochen noch zu Ende bringen.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind