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Pionierin über Frauenfußball„Man hat mich nie belächelt“

Auf dem Pausenhof war Birte Brüggemann das einzige kickende Mädchen. Später baute sie die Frauenfußball-Abteilung bei Werder Bremen auf.

Enorme Entwicklung: Szene des Bundesliga-Spiels VfL Wolfsburg gegen Werder Bremen im Juni 2021 Foto: Swen Pförtner / dpa
Interview von Marie Gogoll

taz: Frau Brüggemann, Sie haben früher selbst Fußball gespielt, das ist jetzt etwa 25 Jahre her. Was hat sich verändert?

Birte Brüggemann: Als ich Kind war, war Fußball für Mädchen ganz selten. Ich habe Leichtathletik gemacht und auf dem Pausenhof bei den Jungs gekickt als einziges Mädchen. Mittlerweile hat sich das Bild auf den Straßen total verändert. Auf Spielplätzen und auch in der Vereinslandschaft ist Mädchenfußball nichts besonderes mehr, er gehört einfach dazu.

Und wie sieht die Entwicklung im Frauenbereich aus?

Der Frauenfußball wurde in den letzten Jahren stark professionalisiert. Als ich noch Fußball gespielt habe, hat kein Mensch über Geld gesprochen, über Verdienst, oder über Vertragsspielerinnen. Wir hatten ein Bundesligaspiel in Berlin und mussten 50 Mark zum Hotelzimmer dazubezahlen. Wenn man das nicht konnte, war man eben nicht an Bord.

Zu welcher Zeit war das?

Das war Anfang der 90er, damals habe ich in Wildeshausen gespielt.

Nach Ihrer aktiven Zeit als Fußballerin haben Sie für den DFB in Bremen gearbeitet. Wie sind Sie dort gelandet?

Das war eigentlich Zufall. Ich habe für die Bremer Landesauswahl Fußball gespielt und an der Uni Sport und Geschichte auf Lehramt studiert. Der Bremer Verbandssportlehrer hat den Schwerpunkt Fußball geleitet und mich überredet, die Trainer-B-Lizenz zu machen und damit war ich die erste im Verband ausgebildete Frau. So bin ich relativ schnell Auswahltrainerin für den Mädchenbereich geworden. Einige Jahre später startete der DFB ein Programm zur Talentförderung. Für jeden Verband suchte er dafür einen hauptamtlichen Stützpunktkoordinator oder -koordinatorin mit pädagogischer Grundausbildung. Das hat natürlich gut zu mir gepasst. Deshalb gab es ab Januar 2000 dann 28 männliche DFB-Stützpunktkoordinatoren und eine weibliche. Die war ich.

Wie hat es sich angefühlt, die einzige Frau zu sein?

Im Interview2Inews: 

50, hat die Frauenfußball-Abteilung von Werder Bremen aufgebaut, war dort zeitweise selbst Trainerin und leitet diese bis heute.

Ich hatte nie das Gefühl, dass ich benachteiligt worden wäre. Ich war gleichberechtigte Kollegin, wir haben alle das gleiche Geld verdient. Man hat mich nie belächelt, ich war immer Teil dessen.

Vom DFB sind Sie zu Werder Bremen gegangen und haben dort die Frauenfußball-Abteilung aufgebaut. Wie kam Werder überhaupt zum Frauenfußball?

Bremen hatte, verglichen mit anderen Bundesländern, immer wenig Leistungsfußball im Frauenbereich. Dadurch war es teilweise schwierig, eine Landesauswahl zu stellen. Von verschiedenen Seiten, auch von der UEFA und dem DFB, wurde Werder Bremen deshalb unter Druck gesetzt, eine Frauenfußball-Abteilung zu eröffnen. Das war kurz vor der WM 2006 in Deutschland, eine Zeit, in der Fußball viel Aufmerksamkeit bekommen hat und auf Gleichberechtigung gepocht wurde.

Die Entscheidung wurde dem Verein also aufgedrückt?

Aus dem Druck von außen wurde irgendwann eine Eigeneinsicht. Klaus-Dieter Fischer (damals Präsident, heute Ehrenpräsident von Werder – Anm. d. Red.) hat früher immer gesagt, solange er Präsident sei, gäbe es bei Werder keinen Frauenfußball. Heute muss er darüber selbst schmunzeln. Werder wurde immer sehr für die sozialen Tätigkeiten gekürt und hat sich gegen Diskriminierung stark gemacht. Dass Frauen hier aber keinen Fußball spielen durften, hat dazu nicht gepasst. Das hat der Verein mit der Zeit auch selbst erkannt.

Und wie sind Sie dabei ins Spiel gekommen?

Mein DFB-Büro war hier im Weserstadion. So konnte mich Klaus-Dieter Fischer einfach beim Mittagessen ansprechen. Für den Aufbau einer Frauenfußball-Abteilung kam für ihn eigentlich nur ich infrage. Ich war die Fachfrau dafür und wusste, dass der Frauenfußball in Bremen untergehen würde, sollte es bei Werder dahingehend keine Entwicklung geben. Und so bin ich 2007 zu Werder Bremen gewechselt.

Was war Ihnen für den Frauenfußball bei Werder Bremen wichtig?

Wir wollten, dass die Spielerinnen aus der Region kommen. Es gab hier viele junge Spielerinnen mit Werder-DNA, also so richtige Werder-Fans. Für die sollte ein Traum in Erfüllung gehen. Außerdem haben wir darauf geachtet, junge Spielerinnen zu finden, mit denen man einen gemeinsamen Weg geht, aber auch einige ältere Spielerinnen mit Erfahrung. Heute spielen gebürtige Bremerinnen für Werder in der Bundesliga. Das war das Szenario, von dem wir damals geträumt haben.

Die Werder-Frauen haben sich im Laufe der Zeit in immer höhere Ligen gespielt. Was hat sich dabei, neben der Leistung, noch verändert?

Die Geschichte, die wir gerade schreiben, ist die Geschichte davon, wie der Fußball professioneller wird. Es gibt jetzt bei Werder zum ersten Mal eine Generation, die Geld mit Fußball verdient. Vorher, also vor dem Aufstieg in die Zweite Liga, haben die Spielerinnen gar nichts bekommen. Das war eine absolut idealistische und emotionale Zeit, die uns niemand wiedergeben kann. Die Spielerinnen haben für diesen Verein gebrannt und stehen auch heute noch in der Ostkurve, wenn unsere Profis spielen. Heute ist es natürlich immer noch emotional und unsere Spielerinnen sind voller Werder-Leidenschaft, aber es ist anders. Es ist eben Profifußball. Toptalente, die sich weiterentwickeln wollen, verlassen den Verein schon mal.

Werder Bremen hat mit der Gründung der Frauenabteilung schon vor 14 Jahren einen Schritt gemacht, den viele Vereine wie Borussia Dortmund erst jetzt gehen. Hätten Sie sich auch von anderen früher mehr Initiative im Bereich Frauenfußball gewünscht?

Nein, das muss sich jeder Verein selbst überlegen, schließlich brauchen wir als Frauenfußball ja auch Ressourcen wie Geld und Plätze. Wenn Fortuna Düsseldorf sagt, dass sie aktuell keine Ressourcen dafür haben, sehe ich darin kein Problem. Wenn Schalke sagt, sie möchten erst mal nur Amateurfußball anbieten, finde ich das auch in Ordnung. Jeder Verein muss für sich selbst schauen, was zu ihm passt. Schön ist natürlich, dass die Wahrnehmung für den Sport durch diese Diskussion größer wird.

Anders als einige andere Vereine in der Liga können die Werder-Frauen nicht von ihrem Gehalt leben. Das führt zu einer Ungleichheit im Wettbewerb. Wie möchten Sie sich dafür einsetzen, dass sich das ändert?

Mehr Geld tut natürlich immer gut. Man muss das aber in der richtigen Relation betrachten: Der männliche Top-Spieler von Bayern München verdient mit Sicherheit das x-Fache vom männlichen Werder-Top-Spieler. Im Frauenfußball ist es eben genauso. Trotzdem sind die Leistungsunterschiede im Frauenfußball natürlich viel höher. Wir befinden uns da noch in einem kleinen Teufelskreis.

Wie sieht der aus?

Über Frauenfußball wird nicht so viel berichtet. Wenn nicht so viel berichtet wird, spielt das auch weniger Geld und Öffentlichkeit ein. Das kann dann dazu führen, dass die Top-Spielerinnen ins Ausland gehen, darunter leidet wiederum die Qualität der Liga. Der Ruf nach Professionalisierung, auch in Richtung DFB, ist deshalb groß.

Für eine Professionalisierung braucht es Geld. Wo könnte das herkommen?

Zum einen von einer besseren TV-Vermarktung. Es ist bitter, wenn sich am letzten Bundesliga­spieltag die Meisterschaft entscheidet und niemand kann es so wirklich im Fernsehen verfolgen. Außerdem muss die Geschichte des Frauenfußballs als Marke richtig erzählt werden, nicht nur auf Vereins­ebene, sondern in ganz Deutschland. Ich bin überzeugt, dass man damit auch den Sponsoring-Marktwert erhöhen kann.

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