: „Pío, pío – venga, Gordon!“
Basketball am Rande Europas: Der Deutschamerikaner Jens-Uwe Gordon stopft für Canárias Telecom so viele Bälle in Körbe, dass ihm kaum Zeit bleibt, die Schönheiten der Kanareninsel zu genießen
aus Las PalmasHEINZ GÜNTER CLOBES
Rund eine Million Deutsche besuchen jährlich Gran Canaria als Touristen, über 2.000 leben gar ständig auf der Insel. Um hier professionell Basketball zu spielen, ist allerdings nur einer da: Jens-Uwe Gordon, der auch fünf Spielzeiten für Bamberg aktiv war.
Seit November spielt er in Las Palmas für Canárias Telecom in der ACB, der höchsten spanischen Liga. Der Club ist nach mehreren Auf- und Abstiegen seit 1996 wieder in der Eliteklasse und zurzeit 13. von 20 Teams. Die Play-offs der besten Acht sind wohl kaum zu schaffen, obwohl „die Mannschaft ziemlich Talent hat“, wie Gordon sagt. „Unsere Spiele gehen häufig zu leicht am Schluss verloren, nachdem wir die ersten zwei, drei Viertel gut gespielt haben.“ So auch gegen den großen Meisterschaftsfavoriten Real Madrid, wo man bis ins dritte Viertel geführt hatte, um dann mit 83:94 zu verlieren.
„Mit Barça, Madrid oder Málaga können wir auch finanziell nicht mithalten“, weiß Gordon, „obwohl in Spanien von den Sponsoren generell viel mehr Geld für den Basketball aufgewendet wird als etwa in Deutschland.“ Kein Wunder, denn nach Fußball ist Basketball die populärste Sportart und hat – da ist sich Gordon sicher – die stärkste Liga in Europa. Er muss es wissen, denn außer in Italien und der Türkei hat er fast überall gespielt: neben Deutschland noch in Griechenland, Frankreich, Japan und den USA, wo er im College und in der CBA am Ball war.
„In Spanien wird die Entwicklung junger Spieler besser und systematischer verfolgt“, hat er beobachtet. Bereits in der Schule wird Basketball richtig trainiert, mit Schulmannschaften, die in Wettbewerben antreten. Auch der Unterbau und die Organisation in den Vereinen ist dementsprechend besser als anderswo, auch bei seinem jetzigen Club, der als Sportaktiengesellschaft firmiert. Drei Trainer, davon einer für Fitness, zwei Ärzte, ein Physiotherapeut und ein Betreuer bilden den Stab, der ständig für die Mannschaft arbeitet.
Mit gut 33 Jahren hat es Gordon, der Deutschamerikaner ist, nun also nach Las Palmas verschlagen. Er sieht hier noch einmal eine Chance, auf höherem Niveau zu spielen, nachdem sein Engagement in Granada in der LEB, der Zweiten Liga, wegen Geldmangels abrupt zu Ende gegangen war. Was hieß, wieder einmal die Koffer zu packen – lediglich mit einem Zweimonatsvertrag in der Tasche. Dass es Las Palmas wurde, ist seinem Agenten zu verdanken. Es war Zufall, aber auch ganz recht so, da seine Frau, eine Deutsche aus Bamberg, „die Sonne liebt und die Aussicht auf angenehme Temperaturen verlockend fand“.
Viel gesehen hat er noch nicht. Gordon: „Es ist wie überall: frustrierend, dass man wegen des Trainings und der Spiele einfach zu wenig Zeit hat oder zu müde ist, etwas zu unternehmen.“ So ist er auf das angewiesen, was ihm seine Frau über die Insel und die Stadt berichten kann. Las Palmas mit seinen gut 400.000 Einwohnern ist eine echte Metropole für die sieben Kanarischen Inseln, mit Oper, Theater und ziemlich heftigem Nachtleben. Die Insel Gran Canaria selbst hat mehr als Strandleben zu bieten, da sie im Innern bis auf 2.000 Meter aufsteigt und atemberaubende Panoramen offenbart. Jens-Uwe Gordon kennt davon wenig („manchmal fahren wir in den Süden an den Strand“), was er kennt, ist der Häuserblock, in dem der Verein ihm eine Wohnung zur Verfügung gestellt hat, und der kleine Laden, dessen Besitzer versprochen hat, ihm Spanisch beizubringen. „Das sind nette Leute“, so Gordon, „aber ich kann kaum etwas sprechen. Eigentlich kenne ich nur die schlimmen Wörter“, was wahrscheinlich eher auf den üblichen Trash-Talk während der Spiele zurückzuführen ist. Aber: „Basketball ist ein einfaches Spiel, man muss nicht viel reden.“ Im Team spielen neben den Spaniern noch ein weiterer Deutschamerikaner, ein Portugiese, ein Franzose und zwei Amerikaner.
Neben seinem Apartment kennt Gordon auch noch das Centro Insular Deportivo, die Halle, in der einmal, in manchen Wochen sogar zweimal täglich trainiert wird. Von den 5.000 Sitzplätzen sind bei den Spielen gut 4.000 immer besetzt. Die afición, die Begeisterung, ist groß, die anfeuernden „Pío, pío“-Rufe, dem Gesang der Kana- rienvögel nachempfunden, sind laut. Das Publikum findet Gordon unglaublich: „Auch bei Niederlagen gibt es keine Pfiffe.“ Gordon, 2,06 Meter groß, ist Defensivspezialist und hauptsächlich für die Rebounds zuständig. Er spielt pro Spiel rund 10 Minuten als Backup-Center für die beiden Amerikaner Bobby Martin und Dean Thomas, die Stars der Mannschaft.
Große Illusionen über die sportliche Zukunft macht sich Jens-Uwe Gordon in seinem Alter nicht mehr. Doch er weiß, was er will. „Zwei Jahre noch spielen, und dann zurück nach Kalifornien und eventuell Lehrer sein. Auf keinen Fall aber Trainer werden. Da sind zu viele Egos auf einem Haufen.“ Sein Vertrag in Las Palmas ist gerade bis zum Saisonschluss verlängert worden, mindestens also bis Mitte Mai sollten die Play-offs geschafft werden, maximal bis Mitte Juni. Was dann kommt, sieht er mit dem milden Fatalismus eines Profis: „Mal schauen, was an Angeboten kommt.“ Immerhin bietet sich ihm bis dahin wenigstens noch die Chance, ein bisschen mehr von einer attraktiven Stadt und einer spektakulären Insel zu sehen.
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